Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

Soziale Frauenschule/Sozialpädagogisches Institut

Moorweidenstraße 24 zwischen 1919-1927
Mittelweg 35a ab 1927

Siehe auch: Portrait Margaretha Treuge
(Ausschnitt aus dem szenischen Rundgang: "Was glaubt Ihr denn wer wir sind? - Her mit dem Frauenwahlrecht", Sprecherinnen: Rita Bake, Herma Koehn, Hanka Schmidt)
Anlässlich des 100. Geburtstages der Sozialen Frauenschule schrieb am 27.5.2017 Oliver Schirg im Hamburger Abendblatt einen Artikel über diese Institution unter dem Titel: Die ‚Soziale Frauenschule‘ – Vorläufer der Sozialpädagogik. www.abendblatt.de/hamburg/article210711191/Die-Sozialen-Frauenschule-Vorlaeufer-der-Sozialpaedagogik.html
In diesem Artikel heißt es: „(…) im Frühjahr 1917, wurden im Hörsaal A des historischen Teils der Universität Hamburg die Soziale Frauenschule und das Sozialpädagogische Institut (SPI) gegründet. Es ging zunächst darum, ‚den durch den Ersten Weltkrieg hervorgerufenen Bedarf an weiblichen Beschäftigten in der Säuglings- und Kinderfürsorge sowie der Kriegsversehrten-, Kriegswaisen- und Fabrikfürsorge zu sichern‘ (…)
Aber bereits am Gründungstag verdeutlichte die für die praktische Ausbildung zuständige Leiterin Marie Baum, dass es um mehr ging. ‚Eine gute soziale Schule muss den Schülerinnen in erster Linie die Kenntnis der Wirklichkeit vermitteln, damit sie ihr persönliches Weltbild an den nun einmal gegebenen Verhältnissen messen und berichtigen, sagte Baum. ‚Das Charakteristische einer sozialen Schule ist ja, dass sie nicht allein oder wesentlich Erkenntnis vermitteln und die Fähigkeiten des Erkennens üben, sondern dass sie die Fähigkeit des Handelns entwickeln will.‘“ www.abendblatt.de/hamburg/article210711191/Die-Sozialen-Frauenschule-Vorlaeufer-der-Sozialpaedagogik.html
Wie es zu dieser Schule kam und wie schon zu Beginn die Frauen an den Planungen dazu „außen vor“ gehalten werden sollten, beschreibt der Richter und Kunstkritiker Gustav Schiefler, ein Zeitgenosse und Kenner der damaligen Kulturszene, in seine Kulturgeschichte Hamburgs von 1890-1920: “Schon seit Jahren waren Helene Bonfort und namentlich Frau Otto Traun [gemeint ist Antonie Wilhelmine Traun, die mit dem Kaufmann Otto Traun verheiratet war] in der Stille bemüht gewesen, dafür die Wege zu ebnen. Durch seine Tätigkeit in der Wohlfahrtspflege hatte sich Dr. Zahn von der Notwendigkeit oder doch Wünschbarkeit einer solchen Gründung überzeugt, und in einer Art subalternen Ehrgeizes suchte er jetzt Senator Lattmann, den Vorsitzenden der Hamburgischen Kriegshilfe [siehe zu ihm auch im Eintrag: Frauenausschuss der Hamburgischen Kriegshilfe], dafür zu gewinnen, daß die Sache unter Umgehung der Frauen gemacht werde. Infolge unvorsichtiger Äußerungen erfuhren diese von dem Plan, waren aber selbstbeherrscht genug, um ihn in weiser Zurückhaltung nicht nur nicht zu stören, sondern sogar dadurch zu fördern, daß sie auf Umwegen, gleichsam anonym, das Augenmerk der Herren auf diejenige Persönlichkeit lenkten, die sich nach ihrer Ansicht am besten für den Posten einer Leiterin eignete: auf Fräulein Dr. Bäumer. Endlich freilich, als einmal Dr. Zahn sich in einer Gesellschaft dazu hatte hinreißen lassen, einer – wie er nicht wußte – mit Fräulein Bonfort befreundeten Dame gegenüber ausdrücklich zu erklären, sie wollten mit den Frauen bei dieser Angelegenheit nicht zu tun haben, nahm jene Veranlassung, Senator Lattmann darüber zur Rede zu stellen, mit dem Erfolg, daß dann auch Vertreterinnen der Frauenorganisationen in das Kuratorium der Anstalt berufen wurden.“ [1]
Warum war der bürgerlichen Frauenbewegung solch eine Soziale Frauenschule/ Sozialpädagogisches Institut so wichtig?
„Die sozialen Berufe entwickelten sich in den zwanziger Jahren neben den Lehrberufen zum wichtigsten Arbeitsfeld bürgerlicher Frauen. Entscheidend gefördert worden war dieser Trend durch die bereits im Kaiserreich einsetzenden Bestrebungen der bürgerlichen Frauenbewegung zur Professionalisierung der weiblichen Sozialarbeit (…)
Hauptausbildungsstätte für die sozialen Frauenberufe war in Hamburg das Sozialpädagogische Institut, das im April 1917 nach dem Vorbild der 1908 von Alice Salomon gegründeten Berliner Sozialen Frauenschule eröffnet worden war. Initiator dieser zunächst von einem Verein getragenen Kuratoriumsschule, die im Dezember 1920 staatlich anerkannt wurde, war der Stadtbund hamburgischer Frauenvereine. Das neue Institut, dessen erste Leiterinnen Gertrud Bäumer und Marie Baum waren, gliederte sich in eine vorbereitende ‚Unterbauklasse‘ und eine zweijährige ‚Soziale Frauenschule‘, die mit der Wohlfahrtspflegerinnen-Prüfung abschloß. Um die staatliche Anerkennung als Fürsorgerin zu erhalten, mußten deren Schülerinnen anschließend ein einjähriges Praktikum absolvieren. Daneben bot das Institut ‚Fortbildungskurse‘ an, die der Weiterbildung beruflich wie ehrenamtlich in der sozialen Arbeit stehender Frauen und Männer dienten. Für die Ausbildung als Fürsorgerinnen mußten die Schülerinnen – rund 150 Mark pro Semester – ein erhebliches Schulgeld bezahlen.“ [2]
„Neben Hauswirtschaft wurden Geschichte der Wohlfahrtspflege, Sozialethik, Pädagogik, Volkswirtschaft und Psychologie gelehrt. (…). In ihrer Rede zum Gründungsakt der Bildungseinrichtung sprach Bäumer von der Notwendigkeit, während der Ausbildung den ‚Wirklichkeitssinn‘ der Schülerinnen zu schulen. ‚In der Einführung in die Geschichte und das Leben des Staates, seine wirtschaftlichen Bedingungen, seine politischen Schicksale, das Zusammenwirken seiner verschiedenen Kräfte, seiner sozialen Gestaltungen gewährt die soziale Berufsbildung zugleich die Erziehung zur Tat.‘“ www.abendblatt.de/hamburg/article210711191/Die-Sozialen-Frauenschule-Vorlaeufer-der-Sozialpaedagogik.html
„Im April 1923 wurde das Institut verstaatlicht, da der Trägerverein aufgrund der Hochinflation die notwendigen Mittel nicht mehr aufbringen konnte. Das Staatliche Sozialpädagogische Institut führte die Arbeit unter der Leitung Margarete Treuges, die dieses Funktion seit 1920 inne hatte, in der alten Weise fort.“ [2] (Siehe auch bei: Marie Baum und bei Margaretha Treuge.)
„Männer konnten erst von 1930 an die zweijährige Ausbildung absolvieren, auch wenn sie bereits ab 1926 an einjährigen sogenannten Nachschulungslehrgängen teilnehmen durften. Und so zählte die Schule in ihrem ersten Ausbildungsjahrgang 81 Studentinnen. (…)
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Frauenschule und das Institut zunächst zu einer höheren Fachschule aufgewertet und 1970 als Fachbereich Sozialpädagogik in die neu entstandene Fachhochschule Hamburg integriert.“ www.abendblatt.de/hamburg/article210711191/Die-Sozialen-Frauenschule-Vorlaeufer-der-Sozialpaedagogik.html
Quellen:
1 Gustav Schiefler: Eine Hamburgische Kulturgeschichte 1890-1920. Beobachtungen eines Zeitgenossen. Bearbeitet von Gerhard Ahrens, Hans Wilhelm Eckardt und Renate Hauschild-Thiessen. Hamburg 1985, S. 301f.
2 Karen Hagemann, Jan Kolossa: Gleiche Rechte, gleiche Pflichten. Ein Bilder-Lese-Buch zu Frauenalltag und Frauenbewegung in Hamburg. Hamburg 1990, S. 107f.
 

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