Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

„Frauen in die Bundeswehr? Wir sagen NEIN!“

Cover vom Taschenbuch "Frauen in der Bundeswehr? Wir sagen Nein!" aus dem Jahre 1980
In den 1980er-Jahren entstanden in den „meisten Städten und Regionen der Bundesrepublik Frauenfriedensgruppen. Gegen die sog. ‚Nach‘-Rüstung und das Regierungsvorhaben: ‚Frauen in die Bundeswehr‘ bildeten Frauen breite Bündnisse, in denen autonome Frauen und Partei- und Gewerkschaftsfrauen wieder vereint miteinander wirkten. (…) Angeregt durch die Kampagne ‚Frauen in die Bundeswehr – wir sagen NEIN‘ der Demokratischen Fraueninitiative (DFI) und durch die Aktion ‚Anstiftung der Frauen zum Frieden‘ durch COURAGE-Frauen entstand eine bundesweite Frauen-Friedens-Bewegung, die die Verbindung zu den internationalen Frauen-Zusammenhängen wieder suchte und pflegte.“ (Politeia. Szenarien aus der Deutschen Geschichte nach 1945 aus Frauensicht. Hrsg. Von Annette Kuhn, Marianne Pitzen, Marianne Hochgeschurz. Frauenmuseum. 1. Aufl. Bonn 1998, S. 162f.)
1980 stand der 70. Internationale Frauentag erstmals unter dem Motto: „Frauen in die Bundeswehr? Wir sagen NEIN!“. Die gleichnamige Hamburger Fraueninitiative brachte die bis dahin größte Frauendemonstration in der Geschichte der Bundesrepublik zustande. Zum ersten Mal seit Bestehen der Bundesrepublik ging am 6. Dezember 1980 in vielen Städten – so auch in Hamburg – ein breites Bündnis von Frauen (SPD-Frauen, DFI, Gewerkschafterinnen, Frauen aus dem politisch-liberalen Spektrum, Frauenprojekte-Frauen, Christinnen etc.) auf die Straße und demonstrierten für den Frieden.
Ein Jahr zuvor waren die bundesweiten Fraueninitiativen „Frauen in die Bundeswehr? Wir sagen NEIN!“ „mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit [gegangen], in dem es u.a. hieß: ‚Man will die Frauen mit der Behauptung gewinnen, militärischer Frauendienst sei ein Schritt zur Gleichberechtigung. Die Vorstellung, durch Wehrdienst erhielten Frauen Zugang zu einem wichtigen, bislang den Männern vorbehaltenen Machtbereich und mehr Einfluss, ist eine Täuschung. Niemand wird zum Militär eingezogen, damit er dort politische Entscheidungen treffen kann, sondern damit er gehorcht und sich anpasst. Auch im Faschismus gab es Frauen in Uniform – waren sie darum gleichberechtigt?‘ Dieser Aufruf wurde von 100.000 Frauen unterschrieben.“ www.bpb.de/themen/C52YW2,1,0,Fast_vergessen_die_Frauenfriedensbewegung_in_der_BRD.html
Dem vorausgegangen war die 1975 erfolgte Öffnung der Bundeswehr durch eine Änderung des Soldatenlaufbahngesetzes für weibliche Soldaten im Sanitätsdienst und im Musikkorps: „In diesen Bereichen [konnten sie fortan] auch die Offizierslaufbahn einschlagen. Die Soldatinnen werden an der Waffe ausgebildet, allerdings dient ihre Waffe nur der Selbstverteidigung, nicht aber zum Einsatz in Kampfhandlungen. Nach Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im Jahr 1955 hatte der Artikel 12 a des Grundgesetzes bestimmt: ‚Sie (die Frauen, Anm. d. Red.) dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten.‘ Begründet wurde dies im Rechtsausschuss des Bundestages damit, dass ‚unsere Auffassung von der Natur und von der Bestimmung der Frau einen Dienst mit der Waffe verbietet‘.“ www.frauenmediaturm.de/themen-portraets/themen-debatten/militaer/
Den Protesten der Frauen gegen „Frauen in die Bundeswehr“ war außerdem der von Alice Schwarzer 1978 geforderte „uneingeschränkte freiwillige Zugang von Frauen zum Dienst an der Waffe“, vorausgegangen. Alice Schwarzer lehnte: „das biologistische Dogma (….), das dem Waffenverbot zugrunde liegt [ab]. Damit beginnt eine heftige Debatte, denn auch große Teile der Frauenbewegung lehnen Schwarzers Forderung als ‚militaristisch‘ ab. ( www.frauenmediaturm.de/themen-portraets/themen-debatten/militaer/)
Auch die Hamburger Schriftstellerin und COURAGE Kolumnistin Peggy Parnass kritisierte scharf Feministinnen, die sich die Option offen halten wollten, „Eintritt“ in die Bundeswehr zu bekommen. „Sind die Frauen eigentlich verrückt geworden, daß sie an etwas beteiligt werden wollen, was es abzuschaffen gilt? Es gibt linke Feministinnen, die mir sagen, sie würden natürlich den Wehrdienst verweigern, aber sie müßten sich erst einmal die Freiheit zu dieser Entscheidung erkämpfen. – Aber wenn ihr schon so aufgewacht seid, daß ihr für das bißchen Leben, das ihr habt, kämpfen wollt, dann kämpft doch an der richtigen Stelle: Gegen Rüstungs- und Militärwahnsinn überhaupt. Oder ist es etwa feministische Logik, sich den freien Zugang zu allen ‚Berufen‘ zu erstreiten, gleich wie unmenschlich sie sind? Und soll denn etwa die Frauenbewegung in den USA um das weibliche Recht kämpfen, Henker werden zu können?“ (zit. aus: Politeia. Szenarien aus der Deutschen Geschichte nach 1945 aus Frauensicht. Hrsg. Von Annette Kuhn, Marianne Pitzen, Marianne Hochgeschurz. Frauenmuseum. 1. Aufl. Bonn 1998, S. 180.)
1979 fand dann unter dem Motto: „Frauen in die Bundeswehr? – Nein Danke!“ am Vorabend des Antikriegstages (1. September) in der überfüllten Hamburger Markthalle eine Großveranstaltung mit Podiumsdiskussion statt. Dazu hatten mehr als 20 Frauengruppen aufgerufen. Vertreter von Regierung, Bundeswehr und Teilen der Opposition versuchten, den Frauenwehrdienst an die Frau zu bringen. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Willi Berkhahn, erklärte der Presse, dass in den 1990er-Jahren eventuell auch Frauen zur Bundeswehr müssten, da es dann wegen der geburtenschwachen Jahrgänge nicht mehr genügend männliche Wehrpflichtige geben werde.
Am 13. Februar 1981 initiierte in Hamburg die Demokratische Fraueninitiative (DFI) ein „Frauenparlament“ unter dem Motto „Frauen in die Bundeswehr – wir sagen nein!“ Einen Monat später fand bundesweit - und damit auch in Hamburg - vom 1. bis 8. März erstmals die Aktionswoche „Hamburger Frauen gegen Krieg und Militarismus“ statt. Und zwei Jahre später, 1984, demonstrierten erstmals zum Abschluss der „ Hamburger Frauenwoche“ die Teilnehmerinnen unter dem Motto: „Wir sind viele, gemeinsam wehren wir uns dagegen, zu kostenlosen Sozialhelferinnen und Kriegsschwestern zu werden.“ Auf dem Marsch zum Gerhart-Hauptmann-Platz „schmückten“ die Demonstrantinnen das Kriegerdenkmal am Dammtordamm mit Mullbinden. Auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz „enthüllten die Frauen ein lebendiges Mahnmal für den Frieden. In verschiedenen Figurenkonstellationen wurden Klageweiber dargestellt, die sich dann – zornig die Fäuste ballend – erhoben und mit schneller werdenden rhythmischen Bewegungen schließlich alle Umstehenden zum Tanzen und Singen aufforderten“. (TAZ, 31.3.1984.)
Im Jahr 2000 beschloss „der Europäische Gerichtshof, dass das Waffenverbot für Frauen einem Berufsverbot gleichkommt und daher gegen die Gleichbehandlungsrichtlinien der EU verstößt. Am 2. Januar 2001 treten die ersten Frauen in der Bundeswehr den uneingeschränkten Dienst an, inklusive Ausbildung an der Waffe an. Damit steht ihnen erstmals eine unbegrenzte Karriere in der Bundeswehr offen.“ www.frauenmediaturm.de/themen-portraets/themen-debatten/militaer/
Neben dieser oben beschriebenen Kontroverse in der Frauenbewegungsszene gab es noch ein breites Bündnis von Frauen aus der Frauenbewegung sowie Frauen aus der Frauenfriedensbewegung, das sich gegen Neutronenbomben und gegen den NATO-Beschluss zur Stationierung von Pershing II und Cruise Missiles in die sicherheitspolitische Debatte einmischte. Diese bundesweite Bewegung von Frauen für den Frieden war nicht die erste ihrer Art. Siehe dazu die Einträge zu: Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD), Demokratische Fraueninitiative (DFI); Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF); Weltorganisation der Mütter aller Nationen (W.O.M.A.N.).
Text: Rita Bake
 

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