Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

Ernestine Hoffmann

( Ernestine Johanna Hoffmann, geb. Reincke )
(geb. 1752 oder 1753 Hamburg – 20.4.1789 Hamburg)
Schriftstellerin, Herausgeberin der ersten deutschsprachigen Frauenzeitschrift (unter Pseudonym) im 18. Jahrhundert
Speersort, ehem. Heroldsche Buchhandlung
Pferedemarkt (heute: Gerhart-Hauptmann-Platz) (Wohnadresse)
„Nur weniges lässt sich aus ihrer Biografie rekonstruieren: „Ernestine Johanna Reinke wurde 1752 oder 1753 in Hamburg geboren. Ihr Vater war der Gastwirt Heinrich Ernst Reincke, er starb schon wenige Jahre nach ihrer Geburt. Über ihre Mutter ist nichts bekannt. Höchstwahrscheinlich wurde Ernestine protestantisch erzogen.
Noch nicht 20-jährig verheiratete sie sich 1771 mit dem 15 Jahre älteren Hamburger Advokaten und Notar Valentin Friedrich Hofmann, der sich später anlässlich eines spektakulären Gattenmords mit einer Erörterung über den Sinn erfolterter Geständnisse hervortat.
Neben der ersten deutschsprachigen Wochenzeitschrift, die Ernestine Hofmann im Alter von 25 oder 26 Jahren herausgab und die den älteren Lexika zufolge mit Beifall aufgenommen wurde, schrieb sie verschiedene Texte in Prosa wie in Versen. Zu einem Teil sollen diese auch gedruckt worden sein, aufzufinden ist davon heute allerdings nichts mehr. Ihre Beiträge in der Zeitschrift ‚Für Hamburgs Töchter’ legen nahe, dass sie über gute Fremdsprachenkenntnisse und eine recht breite Bildung verfügte. Ernestine Hofmann starb im Alter von 37 Jahren 1789 in Hamburg“ (Weckel 1998, S. 51).
‚Für Hamburgs Töchter’ erschien von Anfang Januar bis Ende des Jahres 1779 wöchentlich jeden Donnerstag, die Stücke umfassten jeweils 16 Seiten in Oktav, was einem Bogen entsprach (...). Abonnentinnen bekamen die Wochenschrift per Post zugestellt. Hamburgerinnen erhielten die einzelnen Stücke auch in der Heroldschen Buchhandlung am Dom, die den Verlag des Blattes übernommen hatte. 13 Stücke wurden jeweils zu einem Quartalsbändchen zusammen gefasst und auch gebunden vertreiben“ (Weckel 1998, S. 53).
„Die junge Zeitschriftengründerin hielt sich sehr wohl für kompetent, ihre Geschlechtsgenossinnen über weibliche Pflichten zu belehren, sie auf Fehler und Schwächen hinzuweisen sowie zu Demut, Tugend und Häuslichkeit anzuhalten. Sie schlüpfte zu diesem Zweck in die Rolle eines älteren, lebenserfahrenen Witwers, veränderte in der Fiktion also sowohl ihr Geschlecht als auch ihr Alter und ihren Familienstand und verlieh sich auf diese Weise Autorität.“ Ihre Verfasserfigur entwarf sie als Frauenfreund und Frauenkenner. „Schon früh habe er sich zur Schönheit, Sanftmut und Empfindsamkeit der Frauen stärker hingezogen gefühlt als zu seinem eigenen Geschlecht, ließ sie ihn bekennen, auch habe er Frauen immer sehr genau beobachtet und ihren Charakter bis in seine ‚feinsten Schattierungen’ ausgeforscht“ (Weckel 1998, S. 50-51, zitiert aus „Für Hamburgs Töchter“, 1. Stück, S.3-13, speziell S. 12).
„Der Verfasser wünschte sich seine Leserinnen als empfindsame Mädchen, anpassungsfähige Gattinnen und selbstlose Mütter. (...) Da die häuslichen Pflichten viel Geduld und Opferbereitschaft erforderten, das Leben überhaupt Verdruss mit sich bringe, sollten Frauen in erster Linie zu religiösen und moralischen Schriften greifen. Auffallend war der kulturpessimistische, bieder-bürgerliche, streng konservative Grundton dieser Zeitschrift. (...) Der vorgetragene Tugenddiskurs zeichnete sich durch ein besonders rigides Weiblichkeitsideal sowie eine unverhüllte Doppelmoral aus“ (Weckel 1998, S. 54 und 55). Demnach musste eine Frau auf ihren tadellosen Ruf ständig ängstlich bedacht sein. In der Schilderung wurde an Drastik nicht gespart, galt doch die weibliche Tugend als permanent bedroht, etwa „ein unstandesgemäß getragenes kostbares Kleid, ‚zu freyer Putz, ein unrecht angebrachtes Lachen oder Lächeln, ein unbesonnenes Wort und eine einzige Gesellschaft oder ein einziger Spaziergang, eine nur zur unrechten Zeit ein bisgen ausgelassene Frölichkeit’–, all das und manches andere reiche schon aus, Zweifel an der Sittenstrenge einer Frau zu wecken. Wenn der erste Verdacht sich dann durch erneute Regelverstöße erhärte, sei ‚alles verloren’“, so die Medienhistorikerin Prof. Dr. Ulrike Weckel (Weckel 1998, S. 54-56).
Prof. Dr. Dagmar Freist, Professorin für Geschichte an der Universität Oldenburg, schreibt in ihrer Rezension zu Ulrike Weckels Buch: „Von gut einhundert Frauenjournalen, die in Deutschland im 18. Jahrhundert erschienen, wurden mindestens zehn von Frauen verfasst und publiziert, die alle in dem kurzen Zeitraum zwischen 1779 und 1796 erschienen, und dann wieder eingingen. Nur drei Frauen traten öffentlich mit ihrem eigenen Namen als Herausgeberin in Erscheinung, andere gaben sich als Männer aus oder blieben gänzlich unbenannt“ (Freist 2000).
Zu den Herausgeberinnen gehörte für ein Jahr auch Ernestine Hoffmann.
Auffallend ist, dass die Herausgeberinnen sich fast ausnahmslos das spätaufklärerische Weiblichkeitsideal zu Eigen machten. Durch ihre Hinnahme „der Geschlechterdifferenz und der natürlichen Bestimmung der Frau zu Ehe, Mutterschaft und Organisation des Hauses erklärten sich diese Frauen zu Lehrerinnen ihres eigenen Geschlechts und wandten sich mit ihren Zeitschriften an ein ausschließlich weibliches Publikum.
Ihr Bildungsprogramm reichte von einfacher moralischer Belehrung, Plauderei, Belletristik bis hin zur Vermittlung von Kenntnissen, die speziell für Frauen und ihre gesellschaftliche Rolle von Nutzen waren. Gegen weibliche Gelehrsamkeit wandten sich alle besprochenen Zeitschriften, auch wenn sie mitunter doppeldeutig waren (...) durch ihr öffentliches Auftreten und ihre publizistische Tätigkeit gerieten die Herausgeberinnen gleichzeitig in Widerspruch zu der allseits propagierten ‚häuslichen Bestimmtheit’ der Frau“, so die Argumentation von Weckel, „und damit unter Druck, öffentlich über ihr ungewöhnliches Tun Rechenschaft abzulegen. (...) Die erste Herausgeberin einer deutschen Frauenzeitschrift, Ernestine Hoffmann, umging jedweden Legitimationsdruck, indem sie sich als männlicher Herausgeber präsentierte. In dieser Rolle postulierte sie eine ausschließliche Festlegung der Frauen auf eine abgeschlossene Häuslichkeit und beschränkte ihr Journal auf moralische Belehrung“ (Freist 2000).
Überraschend ist die Streuung der „moralischen Wochenschrift“ Ernestine Hofmanns: Die mit Abstand zahlreichste Abonnentengruppe bildeten „die Fürsten- und Staatsdiener und deren Ehefrauen“. Die Subskriptionslisten wiesen „Männer und Frauen aus Adel und Bürgertum“ auf, vor allem Beamte, „deren Wege sich auch in geselligem Verkehr kreuzten und möglicherweise zu einer Aufweichung der Ständegrenzen beitrugen. Darüber hinaus gab es Lesegesellschaften, die Frauenzeitschriften abonnierten, was Weckel als einen weiteren Beleg dafür anführt, das zumindest einige Lesegesellschaften auch für Frauen zugänglich waren“ (Freist 2000).
Weckels Textanalyse bringt einen vielstimmigen, mitunter widersprüchlichen Weiblichkeitsdiskurs ans Licht, der von Frauen und Männern gleichermaßen fortgeschrieben wurde. Mit folgenden Besonderheiten: In der Ablehnung weiblicher Gelehrsamkeit trugen Frauenjournale zu männlicher Selbstdefinition bei. Gleichzeitig definierten die Publikationen „Weiblichkeit in Abgrenzung zum männlichen Geschlecht, was sich auch räumlich zeigte: Männer sollten aus Frauen zugewiesenen Räumen ferngehalten werden. Frauenjournale versammelten eine dezidiert weibliche Öffentlichkeit (...). Im Diskurs wurden die konstruierten Sphären der Geschlechter, so lässt sich Weckels abschließende These zusammenfassen, „mal zusammengefügt, mal separiert“ (die Zitate stammen von Dagmar Freist aus ihrer Rezension zu: Weckel, Ulrike: Zwischen Häuslichkeit und Öffentlichkeit. Die ersten deutschen Frauenzeitschriften im späten 18. Jahrhundert und ihr Publikum. Tübingen 1998, in: H-Soz-Kult, 05.05.2000, hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-184. Copyright (c) 2015 by H-Net, Clio-online, and the author.
Text: Dr. Cornelia Göksu
Literatur:
– Lexikonartikel „Hofmann, Ernestine Johanna“ in: Hans Schröder: Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart. Bd. 3, Hamburg 1857, Nr. 1670
– In ihrer materialreichen und anschaulich-unterhaltsam geschriebenen Dissertation von 1996 hat Ulrike Weckel entlegene Quellen aufbereitet: Zwischen Häuslichkeit und Öffentlichkeit. Die ersten deutschen Frauenzeitschriften im späten 18. Jahrhundert und ihr Publikum. Tübingen 1998 = Weckel 1998.
– Nachweis zu „Heroldsche Buchhandlung“ in: Verlagskatalog 1865, 1878; Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1877, 1885; zusammengefasst online unter www.zeno.org/Schmidt-1902/A/Herold,+Familie
 

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