Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

Irene-Charlotte Guthmann

( Irene-Charlotte Guthmann, geb. Galewski )
(4.9.1905 Hamburg - 10.7.1998 in den USA)
Sängerin, Kellnerin, Verkäuferin
Dammtorstraße, Hamburger Stadttheater; Oberstraße, Israelitischer Tempel (Wirkungsstätte)
Gorch-Fock-Straße 1; später Schlüterstraße 63 IV (Wohnadresse)
Irene Charlotte Guthmann, geb. Galewski, wurde am 4. September 1905 als Tochter von Marcus Galewski und seiner Frau Selma Galewski, geb. Hirschfeld, in Hamburg geboren. Ihr Vater war Inhaber eines angesehenen Bekleidungsgeschäftes am Steindamm und ermöglichte seiner Tochter und seinen beiden Söhnen Ernst und Robert eine Kindheit in einem gut situierten Umfeld. Irene Guthmann besuchte bis zum Einjährigen-Examen die Klosterschule. Sängerisch und schauspielerisch begabt, erhielt sie anschließend eine private Ausbildung für die Bühnenlaufbahn. Ihre erste Gesangslehrerin war Olga Weise vom Hamburger Stadttheater (Vorläufer der Staatoper). Es folgten zwei Jahre Gesangsunterricht bei Lilly Hartung sowie Tanzunterricht bei Susanne Goldschmidt. In dieser Zeit studierte sie mehrmals in der Woche mit dem Korrepetitor Wilhelm Freund und hatte bereits kleinere Engagements. Anschließend nahm sie noch acht Jahre lang Gesangsunterricht bei der Opernsängerin und Gesangspädagogin Martha Winternitz-Dorda.
Das Ende von Guthmanns Gesangsausbildung als lyrische Sopranistin fiel mit dem Machtantritt der Nazis 1933 zusammen. In diesem Jahr absolvierte sie zwar noch erfolgreich ein Probesingen am Hamburger Operettenhaus, zu einem Engagement kam es aber aufgrund ihrer jüdischen Herkunft nicht mehr. Auch ihre kurzzeitige Mitgliedschaft in der Reichsmusikkammer konnte einen Berufseinstieg nicht fördern. Vielmehr wurde sie (vermutlich 1935) wieder aus dieser Organisation ausgeschlossen und mit Berufsverbot belegt. Ihr blieben allein Auftritte in Gottesdiensten sowie im Rahmen des Jüdischen Kulturbunds.
Bereits seit 1931 wirkte Irene Charlotte Guthmann im Rahmen des liberalen jüdischen Kultus im Chor des im selben Jahr eröffneten Tempels des Israelitischen Tempelverbandes in der Oberstraße. Nach der Verwüstung des Tempels im November 1938 beteiligte sie sich an den in den Logensaal des B’nai B’rith-Ordens in der Hartungstraße verlegten reformierten Gottesdiensten. Vom Oberkantor und Chorleiter Leon Kornitzer erhielt sie 1939 ein lobendes Zeugnis für ihre Tätigkeit als Chorsängerin. Ihre Tätigkeit für den Jüdischen Kulturbund führte sie auch zu Gastspielen nach Hannover und Bremen. Darüber hinaus trat sie im jüdischen Krankenhaus und in verschiedenen Altersheimen in Hamburg auf. Ein regelmäßiges Gehalt erhielt sie für diese Tätigkeiten nicht. Da eine Laufbahn als Sängerin unter den gegebenen Umständen unmöglich war, versuchte sich Guthmann im Textileinzelhandel. Als Jüdin erhielt sie jedoch keinen Ausbildungsplatz. Nicht einmal in der Firma ihres Vaters konnte sie unterkommen, weil die Deutsche Arbeitsfront dies verhinderte.
Bereits 1929 hatte sie den Juristen und Mitinhaber der Herrenkleiderfabrik J & M. Guthmann, Hans Guthmann geheiratet und wohnte mit ihm zeitweise in Stettin, überwiegend jedoch in Hamburg. Die Ehe wurde 1937 wieder geschieden. Hans Guthmann ging 1938 nach Bolivien ins Exil, so dass sie von ihm keine Unterhaltszahlungen mehr erhielt, sondern neben gelegentlichen eigenen Einkünften und ihrer Mitgift vor allem von der Unterstützung ihrer Eltern lebte.
Warum Guthmann trotz vorhandener Geldmittel zunächst nicht ins Exil ging, ist unklar. Möglicherweise wollte sie bei ihren Eltern bleiben. Ihre Brüder Robert und Ernst verließen Deutschland hingegen Richtung Belgien bzw. USA. Guthmann lebte zunächst in einer geräumigen Wohnung in der Gorch-Fock-Straße im Stadtteil Eimsbüttel 1938 zog sie in die Schlüterstraße um und brachte einen Teil ihres Hausrats bei ihren Eltern im Mittelweg unter. Als diese in die Johnsallee wechselten, ließen sie einen Teil der Möbel von der Oberfinanzdirektion Hamburg versteigern. Das restliche Inventar wurde vermutlich 1942 beschlagnahmt, als ihre Eltern in das Ghetto Theresienstadt deportiert wurden. Sie wurden 1944 im KZ Auschwitz ermordet. Auch ihren Bruder Robert holte die Verfolgung ein. Er wurde bereits 1942 ins KZ Auschwitz deportiert und ermordet.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Guthmann Deutschland allerdings bereits verlassen. Am 16. Mai 1941 erhielt sie vom Vorstand des jüdischen Religionsverbandes Hamburg noch ein Dankesschreiben für ihre musikalischen Aktivitäten im liberalen Kultus. Wie viele andere, führte sie eine beschwerliche und abenteuerliche Odyssee ins Exil. Mit einem der letzten Flüge der Deutschen Lufthansa – vor dem Überfall Deutschlands auf die UdSSR – flog sie zunächst nach Moskau. Von dort aus reiste sie mit der staatlichen Reisegesellschaft Intourist per Bahn durch Russland und über die Mandschurei nach Japan. In Yokohama schiffte sie sich auf der MS Kamakura Maru nach San Francisco ein. Von dort aus ging sie Ende Juni 1941 nach New York.
Hatte Guthmann bereits 1938/1939 eine beträchtliche Summe als „Judenvermögensabgabe“ an das Deutsche Reich zahlen müssen, so kostete sie 1941 der Transfer von 40.000 RM in die USA 96 Prozent dieser Summe. Mit nur wenigen hundert Dollar ausgestattet, musste sie sich in den USA deshalb sehr bald um den eigenen Lebensunterhalt kümmern. Da sie der englischen Sprache nicht mächtig war, konnte sie, wie sie in ihrem Wiedergutmachungsverfahren später angab, ihren Beruf als Sängerin nicht mehr ausüben. Deshalb nahm sie nach zwei Monaten Arbeitslosigkeit eine Stellung in einer Fabrik für Limonadenessenzen an. Anschließend arbeitete sie als Kellnerin in einem Vorort von New York, wechselte aber mehrfach den Arbeitgeber, bis sie 1945 Verkäuferin in einem New Yorker Damen- und Kinderbekleidungsgeschäft wurde. Sie war in dieser Zeit viel krank und erlitt, als sie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vom gewaltsamen Tod ihrer Eltern und ihres Bruders Robert erfuhr, einen Nervenzusammenbruch.
1956 stellte Guthmann in Hamburg einen Entschädigungsantrag, dessen verschiedene Teilanträge zu einer Rentenzahlung sowie einer Kapitalentschädigung führten (StAHH GuthmannIC im Staatsarchiv Hamburg). 1957 hielt sie sich, vermutlich um die Bearbeitung ihres Antrags zu befördern, eine Zeitlang in Hamburg auf. Inwiefern sie nach diesem Zeitpunkt noch eine Berufstätigkeit aufnehmen konnte, bleibt unklar. Irene Charlotte Guthmann starb am 10. Juli 1998 als amerikanische Staatsbürgerin in den USA.
Text: Dr. Cornelia Göksu
Gekürzt zitierte Quelle:
Sophie Fetthauer: Irene-Charlotte Guthmann, in: Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit. Herausgegeben von Claudia Maurer Zenck und Peter Petersen unter Mitarbeit von Sophie Fetthauer. Musikwissenschaftliches Institut der Universität Hamburg, seit 2005, www.lexm.uni-hamburg.de (2012, aktualisiert am 14. Febr. 2012). Von Dr. Sophie Fetthauer ausgewertete Hauptquellen: StAHH GuthmannIC.
Das „Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit“ („LexM“) ist ein themenbezogenes, biographisches Musiklexikon. Die hier verzeichneten Personen gehörten zu den Betroffenen des NS-Terrors und waren bzw. sind Berufsmusiker. Ihr Leben, das ins Exil führte oder anderen Formen der Repression ausgesetzt war, soll vor dem Vergessen bewahrt und im musikkulturellen Bewusstsein der Öffentlichkeit verankert werden. NS-verfolgte Musiker kommen in den Musikgeschichtsbüchern des 20. Jahrhunderts nur zum geringen Teil vor oder sind in ihrem Exilschicksal nicht zu erkennen. Dabei wäre es wichtig, zu beschreiben, welchen Verlust es für Deutschland und Österreich bedeutete, dass tausende Musiker fliehen mussten oder in den Lagern für immer verschwanden. In den Asylländern trugen die „Refugees“ oft dazu bei, das Musikleben vielfältiger zu gestalten. Nachdem die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Ende 1974-1984 einen Schwerpunkt „Exilforschung“ gefördert hatte, an dem auch die Musikwissenschaft beteiligt war, wurde an der Universität Hamburg der Forschungsschwerpunkt „Exilmusik“ eingerichtet.
 

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