Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

Bertha Auguste K.

( Bertha Auguste K., geb. H. )
(geb. 3.2.1906 Hamburg-Reitbroock - ?)
verurteilt wegen unerlaubten „Umgangs“ mit einem Kriegsgefangenen.
Sievekingplatz 3: Strafjustizgebäude, erbaut: 1882. Hanseatisches Sondergericht, 1933–1945.
Im Strafjustizgebäude arbeitete zwischen 1933 und 1945 das Hanseatische Sondergericht. Mit der Machterübernahme durch die Nationalsozialisten waren spezielle Strafgerichte eingesetzt worden, um politische Regimegegnerinnen und -gegner zu verurteilen und besonders hart gegen alle Andersdenkenden vorzugehen. Von den in der NS-Zeit von Hamburger Gerichten insgesamt ausgesprochenen 229 Todesurteilen wurden 218 Todesurteile vom Hanseatischen Sondergericht verhängt, die meisten wegen „volksschädigenden Verhaltens“.
Am 24. März 1944 verurteilte das Hanseatische Sondergericht Bertha K. zu einem Jahr und sechs Monaten Zuchthaus und zu Ehrverlust auf die Dauer von zwei Jahren, weil sie laut Gerichtsprotokoll ( Hanseatisches Sondergericht: 11. Js. P. Sond. 481/43. (38a) Sond.Ger.16/44.) „mit einem französischen Kriegsgefangenen unerlaubten Umgang gehabt, und zwar in einem schweren Falle“. Dieses Gerichtsprotokoll ist nicht nur ein Zeugnis des entwürdigenden Umgangs des Gerichts mit der Angeklagten, sondern auch ein aufschlussreiches Dokument des nationalsozialistischen Denkens über Sexualität. „(...) Die 38jährige Angeklagte wurde als Tochter eines Bierfahrers in Hamburg-Reitbroock geboren, besuchte die Volksschule und danach eine kaufmännische Berufsschule. Da die Angeklagte im Gemüsebaubetrieb ihrer Mutter helfen mußte, brach sie den Besuch der Berufsschule ab. Überwiegend stand die Angeklagte ihrer Mutter zur Seite, war aber auch gelegentlich in fremden Haushalten tätig. 1932 machte sie mit dem Gelde ihrer Mutter eine Krämerei auf. Das Geschäft soll von Kommunisten boykottiert worden sein. Die Angeklagte fiel überdies einem Schwindler in die Hände, so daß das Geschäft bald Konkurs ging. Die Schulden bezahlt die Angeklagte noch heute ab.
Im Jahre 1934 heiratete die Angeklagte den Strom- und Hafenarbeiter K. Aus der Ehe ist ein Sohn hervorgegangen. Im Jahre 1937 wurde die Ehe aus beiderseitigem Verschulden geschieden.
Seit dem Jahre 1939 arbeitete die Angeklagte als Rüstungsarbeiterin in der Düneberger Dynamit A.G. Nach der Bekundung des Zeugen R. soll die Angeklagte ihren Arbeitskolleginnen gegenüber unerträglich gewesen sein, sich (..) viel mit ausländischen Arbeitskräften abgegeben haben (...). Durch den letzten Großangriff auf Hamburg und Umgebung im Sommer des Jahres 1943 wurde auch das elterliche Anwesen der Angeklagten in Reitbroock z. T. beschädigt. Zwecks Beseitigung der Schäden wurde auf die Bitte der Angeklagten aus dem Gefangenenlager Reitbroock der französische Kriegsgefangene B. zur gelegentlichen Arbeitshilfe gestellt. Nach getaner Arbeit nahm die Angeklagte mit dem B. zusammen die Kaffeemahlzeit ein. Im Laufe der Zeit entwickelten sich freundschaftliche Beziehungen zwischen der Angeklagten und B.; sie tauschten Zärtlichkeiten aus und befriedigten sich zunächst auf anormale Weise geschlechtlich. Schließlich kam es auch mehrfach – wie die Angeklagte behauptet dreimal – zum Geschlechtsverkehr. Nach der Behauptung des Kriegsgefangenen B. ist die Angeklagte der treibende Teil gewesen. Die Angeklagte trägt vor, es habe eine gegenseitige Zuneigung bestanden. Sie bestreitet aber nicht, gelegentlich einmal auf offener Straße auf den B. gewartet zu haben. Danach ist soviel mit Sicherheit festzustellen, daß die Angeklagte bei der Anbahnung und Fortführung der unerlaubten Beziehungen zum mindesten sehr aktiv gewesen ist.
Die Angeklagte gibt zu, das Verbot des Umganges mit Kriegsgefangenen gekannt und ferner gewußt zu haben, daß ein Verstoß gegen dieses Verbot mit schweren Strafen geahndet wird. (...) Rechtlich hat die Angeklagte vorsätzlich fortgesetzt mit einem Kriegsgefangenen Umgang gehabt. Indem sie sich geschlechtlich mit ihm einließ, handelte sie als deutsche Frau würdelos und verletzte das gesunde Volksempfinden für Würde und Anstand in der gröbsten Weise. Sie hat damit gegen den § 4 der VO. zur Ergänzung der Strafvorschriften zum Schutze der Wehrkraft des Deutschen Volkes vom 25. November 1939 fortgesetzt verstoßen. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei einem geschlechtlichen Umgang mit Kriegsgefangenen das Vorliegen eines schweren Falles grundsätzlich zu bejahen.“ [1]
Text: Rita Bake
Quelle:
1 Gerichtsfall aus: „Von Gewohnheitsverbrechern, Volksschädlingen und Asozialen. Hamburger Strafurteile im Nationalsozialismus. Hrsg. Justizbehörde Hamburg. Wissenschaftlicher Beirat: Helge Grabitz, Hubert Rottleuthner, Wolfgang Scheffer; Redaktion: Helge Grabitz, Wolfgang Sarodnick, Gunther Schmitz. Hamburg 1995, S. 364ff.
 

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