Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

Bibliothekarinnen

Kohlhöfen 21: Öffentliche Bücherhalle (ehemals)
„Öffentliche Bücherhalle” steht über dem Portal des 1908/1909 nach Plänen von Hugo Groothof im Reformstil erbauten Haus, Kohlhöfen 21. 1997 wurde Hamburgs erste Öffentliche Bücherhalle geschlossen. Sie war am 1.10.1899 im Lombardsgebäude, einem ehemaligen Pfandhaus an den Kohlhöfen, eröffnet worden, dessen Räumlichkeiten für eine Bibliothek nicht gerade geeignet waren. Begründet von der Patriotischen Gesellschaft verfügte sie über vier Leseräume mit insgesamt sechzig Plätzen im Erdgeschoss und einen Buchbestand von 6.000 Bänden. Die Bibliothek war eine „Thekenbibliothek“: Wer ein Buch ausleihen wollte, konnte sich dieses nicht aus den Regalen holen, sondern schrieb den gewünschten Titel aus dem Bestandsverzeichnis in ein Leseheft und gab dieses an einem Schalter ab, hinter dem ein Bibliotheksangestellter saß, der das gewünschte Buch aushändigte. 1910 zog die Bücherhalle in das Haus Kohlhöfen Nr. 21. Hier wurde zum ersten Mal ein Freihand-Bereich eingerichtet. Die Leserinnen und Leser konnten nun direkt zum Buch an die Regale gehen. Heute stehen im ehemaligen Bibliotheksraum noch alte Bibliotheksregale und zwei Karteikästen aus der Anfangszeit der Bücherhalle.
Ausschnitt aus dem szenischen Rundgang "Noch mehr Theater mit den Frauen". Helene Bonfort gespielt von Beate Kiupel, Stadtführerin: Rita Bake.
Als in den Jahren 1898/99 die Gründung der ersten Hamburger Öffentlichen Bücherhalle im Gespräch war, wollte die Lehrerin Helene Bonfort, Mitglied des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins, dass auch Frauen daran wesentlichen Anteil haben sollten. Deshalb wandte sie sich an den „Gründervater“ der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen, den Juristen Eduard Hallier (1866–1959). In seinen Erinnerungen schrieb er: „Sie [ Helene Bonfort] vertrat die Meinung, daß die Frauenbewegung sehr geeignet sei, die Bücherhallen ins Leben zu rufen, und daß sie die breite Grundlage schaffen könne, die dafür nötig sei.“ Doch Helene Bonforts Initiative fand keinen Anklang bei den Entscheidungsträgern. Dem standen Männer wie das Ausschussmitglied Rudolf Schülke entgegen, der die Frauenbewegung grundsätzlich ablehnte. Obs daran lag, dass er in einer unglücklichen Ehe lebte? Auch das Ausschussmitglied, der Maschinenbauingenieur und Werftbesitzer Hermann Blohm (1848–1930) lehnte ab, mit der Begründung, dass [er] „zwar prinzipiell nichts gegen Frauen einzuwenden habe, die Bücherhalle aber nicht ‚völlig der Frauenbewegung‘ ausliefern“ wolle. Denn eine „von Frauen verwaltete Bibliothek [würde] mit Sicherheit Schwierigkeiten bekommen, wenn sich eine Staatsunterstützung doch noch als notwendig erweisen sollte“. [1]
Die bürgerliche Frauenbewegung empfand den Beruf der Bibliothekarin als geradezu ideal für Frauen, da er ähnliche Strukturen wie die von Frauen traditionell geleistete Hausarbeit aufwies. „Als ‚öffentliche Hausfrau‘ war die Bibliothekarin für die Ordnung, für das Funktionieren, für die Atmosphäre in der Bücherei verantwortlich, aber auch für die Bildung, die ‚Erziehung‘ und das Wohlergehen ihrer Benutzer“, [2] schrieb Helga Lüdtke 1992 in ihrem Buch über die Geschichte der Frauenarbeit in Bibliotheken.
Doch Hamburgs erste Öffentliche Bücherhalle blieb zuerst einmal frauenfrei. Durch ihr gut funktionierendes Netzwerk hatten sich Männer neue einflussreiche Erwerbsmöglichkeiten auf den Führungsebenen der Öffentlichen Bücherhallen geschaffen. Mit der Begründung, Frauen seien „zu energischer Dienstaufsicht, (...) zu organisatorischen und schwierigen methodischen Arbeiten wenig geeignet“ 2) und könnten ja auch nicht den geforderten Nachweis eines akademischen Studiums erbringen – Frauen konnten erst ab 1908 an Preußischen Universitäten studieren – wurden Frauen lediglich als Hilfskräfte in den mittleren und unteren Ebenen beschäftigt, obwohl der Beruf der Bibliothekarin ein hohes Bildungsniveau voraussetzte, das viele Frauen aus dem Bürgertum auch ohne studieren zu dürfen, mitbrachten. Die Bibliothekarinnen erhielten einen sehr geringen Lohn, so dass diese Arbeit lange Zeit eine Tätigkeit für gebildete „höhere Töchter“ war, die „aus Liebe zur Sache“ arbeiteten und oft aus einem Elternhaus kamen, das ihnen materielle Sicherheit ermöglichte.
Die erste Leiterin einer Hamburger Bücherhalle wurde 1912 Hedwig Dietrich, die die Leitung der Bücherhalle in Rothenburgsort übernahm. Von 1939 bis 1945 erhielt nur deshalb erstmals eine Frau die Leitung über alle Hamburger Bücherhallen, weil der Leiter, Dr. Joerden, in den Krieg ziehen musste. Als er 1945 zurückkehrte, musste seine Vertreterin, Martha Böhmer, den Platz räumen. Es dauerte dann noch weitere 51 Jahre, bis 1996 eine Frau nicht nur als Lückenbüßerin die Direktorin über alle Hamburger Öffentlichen Bücherhallen wurde.
Text: Rita Bake
Anmerkungen:
1 zit. nach: Matthias Gretzschel, Anne Buhrfeind: Hamburgs Bücherhallen. Hamburg 1999.
2 Helga Lüdtke (Hrsg.): Leidenschaft und Bildung. Zur Geschichte der Frauenarbeit in Bibliotheken. Berlin 1992.
 

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