Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

Anna Siemsen

( Dr. Anna Siemsen )
(18.1.1882 Mark in Westfalen – 22.1.1951 Hamburg)
Pädagogin, Frauenrechtlerin
Heimhuder Straße 10 (Wohnadresse)
Zeughausmarkt 32: Anna-Siemsen-Schule
Namensgeberin für: Anna-Siemsen-Gang
Bestattet in Osnabrück
Anna Siemsen, Quelle: AdsD/Friedrich-Ebert-Stiftung
Die Pfarrerstochter Anna Siemsen wurde schon als Kind mit den sozialen Spannungen der damaligen Zeit konfrontiert und machte sich genauso wie ihre vier Geschwister Gedanken über soziale Gerechtigkeit. Anna Siemsens Leitspruch hieß: „Nach der Vollkommenheit und nach der Glückseligkeit der anderen“ trachten. So zu leben wurde ihr nicht leicht gemacht, denn sie wurde Zeit ihres Lebens von den politisch herrschenden Schichten ungerecht behandelt, verfolgt und unterdrückt.
Ihr beruflicher Lebensweg: Seit ihrer Kindheit war sie schwerhörig und litt lange Zeit unter Migräne. Wegen ihrer Krankheit musste sie den Besuch einer höheren Mädchenschule abbrechen. Auf autodidaktischem Wege bereitete sie sich auf das Lehrerinnenexamen vor und war daneben als Privatlehrerin tätig, um die Familie finanziell zu unterstützen.
1909 promovierte sie nach dem Studium der Pädagogik und Nationalökonomie und arbeitete dann zehn Jahre als Lehrerin am staatlichen Düsseldorfer Mä#dchengymnasium. Dort wurde sie nach dem Ersten Weltkrieg zur ersten weiblichen Beigeordneten für Erziehungsfragen ernannt. Anna Siemsen widmete sich hauptsächlich dem Berufsschulwesen und wurde 1919 Leiterin des Düsseldorfer Fach- und Berufsschulwesens. Im selben Jahr holte der preußische Kultusminister Haenisch sie in sein Ministerium nach Berlin. Von 1921 bis 1923 war sie Oberschulrätin. 1923 erfolgte die Berufung an die Universität Jena als Dozentin und später als Honorarprofessorin für Pädagogik. Sie bekam die Aufgabe übertragen, das höhere Schulwesen zu organisieren, konnte aber ihre Tätigkeit nur kurz ausüben, da die dortige demokratische Arbeiterregierung durch die Reichswehr aufgelöst wurde – an eine demokratische Schulreform war somit nicht mehr zu denken. 1932 entzog ihr der thüringische nationalsozialistische Innenminister Frick die Professur.
Anna Siemsens politischer Lebensweg: 1918 wurde sie Mitglied der USPD, trat während des Ersten Weltkrieges in den Bund Neues Vaterland ein, woraus später die Deutsche Liga für Menschenrechte entstand. Sie kämpfte mit Marie Stritt für die rechtliche Gleichstellung der Frau im Bürgerlichen Gesetzbuch, wurde 1919 Stadtverordnete und stellvertretende Bürgermeisterin von Düsseldorf und trat 1923 in die SPD über. Anna Siemsen gehörte bis 1929 dem Präsidium der Liga für Menschenrechte an und war ebenso im Vorstand der Deutschen Friedensgesellschaft und der deutschen Sektion der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit tätig.
Von 1928 bis 1930 saß sie für die SPD im Preußischen Reichstag, musste ihr Mandat aus gesundheitlichen Gründen jedoch vorzeitig (1932) abgeben. Anna Siemsen trat vehement gegen den Panzerkreuzerbau auf. 1931 trat sie in die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) ein und setzte sich für einen europäischen Zusammenschluss ein. bereits 1924 hatte sie ihr Buch „Literarische Streifzüge durch die Entwicklung der europäischen Gesellschaft“ veröffentlicht. Auch schrieb sie die Bücher „Parteidisziplin oder sozialistische Überzeugung“ und „Auf dem Weg zum Sozialismus“. In diesem Buch übte sie Kritik am sozial-demokratischen Parteiprogramm.
Anna Siemsen, Pazifistin und Sozialistin, emigrierte 1933 nach dem Reichstagsbrand in die Schweiz und blieb dort bis 1946. Auch ihre Brüder August und Hans verließen Deutschland. Nur ihr Bruder Karl blieb als Rechtsanwalt in Düsseldorf zurück.
In Zürich heiratete sie den Sekretär der Schweizer Arbeiterjugend Walter Vollenweider. Es war eine politische Heirat, durch die Anna Siemsen die Schweizer Staatsbürgerschaft erhielt. Sie schrieb im Exil viele Artikel über die Friedens-, Frauen-, Europa- und Arbeiterbewegung, wurde Redakteurin der Zeitschrift „Die Frau in Leben und Arbeit“ und fuhr nach Spanien, als dort der Bürgerkrieg ausbrach, um den Widerständlern gegen das Franco- und Hitlerregime Mut zu machen. Außerdem richtete sie im Auftrag der Zentralstelle für Flüchtlinge internationale und deutsche pädagogische Kurzlehrgänge ein.
Ende 1946 kehrte sie gegen den Widerstand ihres Mannes zurück nach Deutschland. Schulsenator Heinrich Landahl (SPD) holte sie nach Hamburg. Sie sollte die Stelle einer Oberstudiendirektorin unter Anrechnung ihrer Dienstjahre und mit gleichzeitiger Übertragung eines Lehrauftrags für neue Literatur an der Universität Hamburg erhalten. Am 1.1.1947 übernahm sie zuerst einmal die Leitung des Notausbildungslehrgangs, des, wie es später hieß, Sonderlehrgangs für die Ausbildung von Volksschullehrerinnen und -lehrern.
Von ihren Studentinnen und Studenten wurde Anna Siemsen geliebt und verehrt. Sie war damals schon sehr weitschauend, auch was die Überforderung der Menschen durch zu viel Arbeit anbelangte und regte gesetzliche und soziale Maßnahmen zur Sicherung der lebensnotwendigen Muße an, die Voraussetzung für weitere Aufnahmefähigkeit.
Während ihrer Tätigkeit als Lehrerin des Notausbildungslehrgangs hatte Anna Siemsen auf das Einlösen des Versprechens Landahls, ihr eine Planstelle zu geben, gewartet. Am 6. März 1947 teilte ihr das Organisationsamt lapidar mit: Wegen der angespannten Haushaltslage könne die versprochene Planstelle nicht genehmigt werden. Damit war Anna Siemsens Tätigkeit nach Abschluss des Sonderlehrganges Anfang Januar 1948 beendet. Sie durfte nicht mehr am Entwurf eines Schulprogramms und am Aufbau eines neuen demokratischen Schulwesens teilnehmen und am Aufbau eines neuen demokratischen Schulwesen mitwirken. Im selben Jahr, als sie aus dem Schuldienst entlassen wurde, erschien in Neuauflage eines ihrer Hauptwerke „Die gesellschaftlichen Grundlagen der Erziehung“.
Ihre pädagogischen Ideen konnte sie fortan lediglich noch in der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Lehrer (ASL) Hamburgs vorbringen. Daneben war sie in der Sozialistischen Bewegung für die vereinigten Staaten von Europa aktiv. Die deutsche Sektion erhielt später den Namen „Anna Siemsen-Kreis“.
Gleich nach ihrem Tod am 22. Januar 1951 regte Schulsenator Landahl an, eine Schule nach Anna Siemsen zu benennen. Noch im selben Jahr wurde die Schule am Zeughausmarkt nach ihr benannt.
Seit 1984 gibt es in Hamburg Bergedorf einen Anna-Siemsen-Gang.
Text: Dr. Rita Bake
Literatur:
Zu Anna Siemsen siehe auch unter: de.wikipedia.org/wiki/Anna_Siemsen
www.arbeiterjugend.de/18-depot/81-anna-siemsen.html
vgl. auch: Rolf Italiaander: Besinnung auf Werte. Persönlichkeiten in Hamburg nach dem Krieg. Hamburg 1987.
 

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