Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

Dora und Claudine Staack

Dora (9.11.1855 Krumstedt/Meldorf – 1.1.1911 Hamburg)
Claudine (30.1.1859 Süderheistedt – 12.4.1911 Hamburg)
Schriftstellerinnen
Gosslerstraße 80, heute: Geschwister-Scholl-Straße (Wohnadresse)
Erinnerungsstein im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756
Die Schwestern Dora und Claudine wuchsen an verschiedenen Orten Dithmarschens und der norddeutschen Provinz auf: Der Vater baute Straßen und Eisenbahnen, die Familie zog mit. Statt einer Berufsausbildung bekamen die Töchter offenbar viel Kultur und Bildung vermittelt. Claudine – später auch als Malerin aktiv – verbrachte sogar eine Zeit in Paris. Geheiratet haben beide nicht.
Mit 40 Jahren, 1895, begann Dora zu schreiben und gewann im Folgejahr das literarische Preisausschreiben der Neuen Hamburger Zeitung. Und bald erschloss sie sich mit Erzählungen und Novellen auch zu anderen zeitgenössischen Blättern Zugang, lieferte Essays und Buchkritiken. Das bescheidene Zeilengeld musste schließlich den Fortfall der bisherigen wirtschaftlichen Basis ausgleichen – nach dem Tod des Vaters waren Dora und Claudine auf sich allein gestellt.
Schreiben, um zu überleben: das vornehme und gebildete Hamburg las zwar die Geschichten, wusste aber nichts von den beiden Frauen, die in großer materieller Enge in einer kleinen Eppendorfer Mietwohnung ihr Dasein fristeten.
In ihren Texten – Claudine fing erst 1905 zu schreiben an – entwarfen sie sorglose Menschen, projizierten ihre Träume auf Frauen, die in der Provinz auslebten, was ihnen verwehr war: sich verlieben, glücklich sein, Geborgenheit finden. Doras Novellen, urteilte ein zeitgenössischer Kritiker, waren lyrisch, Claudine erzählte dramatischer. 1906 vermittelte der Schriftsteller Timm Kröger ihnen einen Verlag: „Melodien der Liebe“ nannte Dora ihre Sammlung, Claudines Buch hieß „Gewitter“. Kröger schrieb für beide ein gleichlautendes Vorwort, passend zur symbiotischen Lebensweise der unzertrennlichen Schwestern.
Die Bücher blieben erfolglos, die Not wuchs. Das Schreiben, so kann man vermuten, wurde zum letzten Draht in die Welt, ermöglichte Kontakt mit Redaktionen, mit Literaten. Tiefe Bescheidenheit, Hingabe, Pflege der Kultur – ja, so sollten Frauen im späten Kaiserreich sein, wenn sie schon keine Kinder in die Welt setzten und einem Mann den Haushalt führten. Die Schwestern spielten diese Rolle richtig: nur, die seltenen, zufälligen Besucher erfuhren von ihrer Not.
Und so wäre es vermutlich noch lange weitergegangen; die Schwestern hätten sich mit immer größerer Bescheidenheit auf immer dürftigere Existenzbedingungen eingestellt, hätte nicht ein Unfall das Ende herbeigeführt. Am 22. Dezember 1910 werden beide von einem Auto erfasst, als sie auf dem Gänsemarkt zur Straßenbahn rennen. Dora – die lebenstüchtigere – stirbt am 1. Januar 1911; Claudine – ohne die ältere Schwester völlig mutlos – öffnet sich wenige Wochen später die Pulsadern, wird aber noch rechtzeitig gefunden. Kaum aus dem Krankenhaus entlassen, erschießt sie sich am 12. April 1911.
Nach ihrem Tod widerfuhr den Staack-Schwestern, was mit vielen Autorinnen passiert, die nicht viel von sich reden gemacht haben – sie gerieten in Vergessenheit. Schon die wenigen Nachrufe auf Claudine und Dora Staack waren voller Irrtümer; wenn ein Nachschlagewerk sie berücksichtigte, stand viel Falsches darin. Aber zumeist ignoriert man sie völlig.
Text: Kay Dohnke, veröffentlicht in der taz vom 4.3.2000.
 

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