Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

Henny Hansen

( Henny Hansen, geb. Daltrop )
(3.1.1889 Harburg – deportiert am 18.11.1941 nach Minsk, 31.12.1945 für tot erklärt)
Opfer des Nationalsozialismus
Lüneburger Straße 35 (Wohnadresse)
Stolperstein vor dem Wohnhaus Lüneburger Straße 35 (Harburg, Harburg)
Henny-Hansen-Weg, Neugraben-Fischbek, seit 2020
Im Unterschied zu ihrem älteren Bruder Theodor kam Henny Daltrop in Harburg und nicht in Gütersloh zur Welt, da ihre jüdischen Eltern Josef (17.3.1847– 4.9.1934) und Rosa (Rosalie) Daltrop, geb. Galitzien (15.11.1850–15.3.1931) inzwischen ihren Wohnsitz vom Teutoburger Wald an die Elbe verlegt hatten. Hier betrieb ihr Vater im Großen Schippsee 34 eine florierende Druckerei, die auch Papierwaren und Schreibmaschinen verkaufte.
Außerdem spielte er in verschiedenen Funktionen eine führende Rolle in der Harburger Synagogengemeinde. 50 Jahre lang gehörte er dem Repräsentantenkollegium an, über 30 Jahre stand er der Chawra Kadischa (Beerdigungsbrüderschaft) vor und fast zwei Jahrzehnte bekleidete er das Amt des Kultusvorstehers. Wie kein anderer bemühte er sich in diesen Jahren mit ganzer Kraft um ein Höchstmaß an innergemeindlicher Kontinuität und um die Anpas¬sung der religiösen und kulturellen Minderheit an ihre nichtjüdische Umwelt.
Wie weit die Gemeinde von diesem Ziel trotz aller Fortschritte noch entfernt war, dürfte er bei der Verlobung seiner Tochter Henny mit dem nichtjüdischen Arzt Adolf Hansen am 19. September 1919 gespürt haben. Der zukünftigen Schwiegermutter seiner Tochter war "der Gedanke, in ihrer [Familie] eine Jüdin begrüßen zu müssen, wenig sympathisch", wofür andere Verwandten viel Verständnis zeigten.
Die Hochzeit fand trotz dieser familiären Bedenken statt. Dass die Ehe nicht lange währte, hatte andere Gründe. Adolf Hansen war schon vor seiner Heirat für "allerlei Extravaganzen" bekannt. Ihm ging der Ruf voraus, "als Kommunist ein Verfechter der freien Liebe zu sein", was sich offenbar nach seiner Heirat nicht änderte. Die Beziehung der Ehepartner litt unter diesen Eskapaden. Die kinderlose Ehe wurde nach einigen Jahren geschieden.
1929 wurde Henny Hansen Mitglied der Hamburger Jüdischen Gemeinde. Aus deren Unterlagen geht hervor, dass sie in der Hansestadt in den folgenden Jahren oft – sicherlich nicht immer freiwillig – ihren Wohnsitz wechselte. 1929 wohnte sie in der Farmsener Straße 4, danach am Leinpfad 25, dann in der Hochallee 76, 1935 in der Görnestraße 45, 1936 in der Isestraße 141, 1937 in der Eckernförder Straße 4 und zum Schluss in der Johnsallee 68. Dies war der neue Standort des Israelitischen Krankenhauses, in dem Henny Hansen zu der Zeit als Krankenschwester arbeitete. Das ursprüngliche Haus an der Eckernförder Straße im Stadtteil St. Pauli war 1939 von der Stadt Hamburg beschlagnahmt und in ein Kriegslazarett umgewandelt worden. Das verkleinerte jüdische Krankenhaus fand in den Räumen der früheren Calmannschen Privatklinik in der Johnsallee unter erheblichen Einschränkungen eine neue Bleibe.
Henny Hansen gehörte im Herbst 1941 zu den 407 Hamburger Jüdinnen und Juden, die am 18. November die Hansestadt vom Hannoverschen Bahnhof am Lohseplatz in Richtung Minsk in Weißrussland verließen. Als sie den Deportationsbefehl erhielt, dürften die schlimmen Befürchtungen bei ihr konkreter gewesen sein als bei manch anderer Transportteilnehmerin. Sie hatte bereits erfahren, dass ihr Neffe Fritz Daltrop im September 1940 von Langenhorn nach Brandenburg verlegt worden und kurz danach urplötzlich verstorben war. Ferner war ihr bekannt, dass ihre Schwägerin Thekla Daltrop, die Witwe ihres Bruders Hermann, sich kurz vorher – am Vorabend ihrer Deportation nach Łód´z – das Leben genommen hatte, und dass ihr Bruder Theodor und seine Frau Else sich seit ihrem Abtransport in den Osten, der fast vier Wochen zurücklag, nicht mehr gemeldet hatten.
Die Fahrt nach Minsk dauerte insgesamt fünf Tage. Die weißrussische Hauptstadt war bereits kurz nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion erobert worden. Zu der Zeit lebten etwa 90000 jüdische Menschen in der Stadt. Sie wurden in einem Getto zusammengepfercht, von dem ein Sonderbereich für reichsdeutsche Juden abgetrennt wurde. Vor der Ankunft des zweiten Hamburger Transports waren ca. 19000 einheimische Jüdinnen und Juden von der SS ermordet worden, um "Platz" für die Neuankömmlinge zu schaffen. Die nahe gelegene Vernichtungsstätte Malyj Trostinez wurde zum Todesort für tausende Gettobewohner.
Zunächst wurden die Männer, Frauen und Kinder aus Hamburg und Bremen in die frei gewordenen Quartiere eingewiesen. Sie arbeiteten in den nächsten Wochen und Monaten für die Wehrmacht, die SS oder die Organisation Todt, die mit der Errichtung kriegswichtiger Bauten befasst war. Viele der verschleppten Menschen starben in den ersten eineinhalb Jah¬ren an Hunger, Kälte und Infektionskrankheiten. Die anderen wurden fast alle bei einer großen "Aktion" am 8. Mai 1943 erschossen oder mit Gas ermordet. Nur wenige Personen, die im November 1941 von Hamburg nach Minsk deportiert worden waren, überlebten diese Hölle. Henny Hansen gehörte nicht zu ihnen.
Text: Klaus Möller, aus: www.stolpersteine-hamburg.de
Quellen:
Staatsarchiv Hamburg, 522-1, Jüdische Gemeinden, 992b, Kultussteuerkarte der Deutsch-Israelitischen Gemeinde Hamburg.
Hamburger jüdische Opfer des Nationalsozialismus. Gedenkbuch, Veröffentlichung aus dem Staatsarchiv Hamburg, Bd. XV, bearbeitet von Jürgen Sielemann unter Mitarbeit von Paul Flamme, Hamburg 1995.
Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945, Bd. I-IV, herausgegeben vom Bundesarchiv Koblenz. Koblenz 2006.
Yad Vashem. The Central Database of Shoa Victims´ Names: www.yadvashem.org.
Bezirksamt Harburg [Hrsg.]: Harburger Opfer des Nationalsozialismus, Hamburg. Recherche: Matthias Heyl und Margit Maronde-Heyl. Hamburg 2002.
Matthias Heyl: „Vielleicht steht die Synagoge noch!“ Jüdisches Leben in Harburg 1933-45. Norderstedt 2009.
Alfred Gottwaldt, Diana Schulle: Die "Judendeportationen" aus dem Deutschen Reich 1941-1945. Eine kommentierte Chronologie. Wiesbaden 2005, S. 90.
Schriftliche Mitteilung Johanna Buchholz vom 10.4.2006.
www1.uni-ham¬burg.de /rz3a035//johnsallee3.html (eingesehen am 6.11.2009).
 

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