Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

Elisabeth Polach

( Elisabeth Polach, geb. Adler )
(28.9.1902 Brünn – 29.6.1945 KZ Bergen-Belsen)
Zwangsarbeiterin, Opfer des Nationalsozialismus
Frauenaußenlager Neugraben am Falkenbergsweg 62 (Unterkunft)
Stolperstein am Falkenbergsweg 62 (Harburg, Neugraben-Fischbek)
Elisabeth-Polach-Weg, Neugraben-Fischbek, seit 2020
Als Elisabeth Adler, genannt Liesl, als Kind jüdischer Eltern in der südmährischen Stadt an der Donau geboren wurde, gehörte ihr Geburtsort noch zum Kaiserreich Österreich-Ungarn. Hier verbrachte sie auch ihre Kindheit und Schulzeit, bevor sie später nach der Gründung der tschechoslowakischen Republik als Sekretärin ihr Geld verdiente. Im Alter von 25 Jahren heiratete sie 1927 den Rechtsanwalt Hans Polach, der aus einer jüdischen Familie in Wien stammte. Als ihm eine attraktive Stellung in Prag angeboten wurde, zogen sie in die tschechoslowakische Hauptstadt und nahmen eine Wohnung in der Würfelgasse 3, wo 1929 ihre Tochter Edith, genannt Dita, geboren wurde.
Die glücklichen Jahre der jungen Familie endeten mit der Besetzung des tschechoslowakischen Territoriums durch deutsche Truppen am 15./16. März 1939 und der Errichtung des "Protektorats Böhmen und Mähren". Kurz danach wurden die ersten jüdischen Gotteshäuser und Friedhöfe geschändet. Es folgten Berufs- und Schulverbote. Auch die Türen der Theater, Konzertsäle und Kinos schlossen sich bald für tschechische Juden, die ab September 1941 wie im Altreich den Judenstern tragen mussten.
Am 20. November 1942 wurden Hans und Liesl Polach mit ihrer 13-jährigen Tochter Dita in das inzwischen heillos überfüllte Getto Theresienstadt verschleppt. Die unmenschlichen Lebensbedingungen, die hier herrschten, waren für diejenigen Bewohnerinnen und Bewohner dieses Lagers etwas leichter zu ertragen, die hin und wieder noch die Kraft fanden, an dem bemerkenswerten kulturellen Leben dieser Gemeinschaft teilzunehmen. Das Angebot war vielfältig und reichte von leichten Unterhaltungsabenden bis zu anspruchsvollen Konzerten und Theateraufführungen. Ein absoluter Kassenschlager war Hans Krásas Kinderoper "Brundibár", die mehr als fünfzigmal aufgeführt wurde, so auch vor der Delegation des Internationalen Roten Kreuzes, die die SS im Juni 1944 zu einer Besichtigung Theresienstadts eingeladen hatte, um die Weltöffentlichkeit hinters Licht zu führen. Auch Dita Polach war als Sängerin an vielen Aufführungen beteiligt.
Eines Tages musste Dita wie viele Musikerinnen und Musiker, Sängerinnen und Sänger sowie Schauspielerinnen und Schauspieler vor ihr und nach ihr durch ein anderes Kind ersetzt werden, weil sie und ihre Eltern für die "Umsiedlung in den Osten" vorgesehen waren. Sie verließen Theresienstadt am 18. Dezember 1943. Erst als der Zug nach zwei Tagen sein Ziel erreichte, sahen die 2473 Männer, Frauen und Kinder dieses Transports, dass sie in Auschwitz waren.
Dort kamen sie in dem "Familienlager für Juden aus Theresienstadt" unter, das die SS drei Monate vorher errichtet hatte. Die in diesem Lager untergebrachten Häftlinge wurden anfangs besser behandelt. Sie blieben zusammen und wurden nicht über das ganze Lager verteilt. Außerdem durften sie ihre persönliche Habe behalten, wurden nicht kahl geschoren und konnten sogar Postkarten schreiben und Pakete erhalten. Die Verpflegung war etwas besser als im übrigen Lager, wenn auch wesentlich schlechter als in Theresienstadt.
In dem tschechischen Familienlager existierte außerdem mit Wissen und sogar auf ausdrücklichen Wunsch der Lagerleitung ein Kinderblock, in dem die Kinder bis zum Alter von etwa 14 Jahren betreut – aber nicht unterrichtet – werden durften. Diese Vergünstigungen dienten der Propaganda und sollten Gerüchten entgegenwirken, die in der Weltöffentlichkeit über die Vernichtung von Juden in Auschwitz kursierten. Der Kinderblock war ein begehrter Aufenthaltsort für viele Jungen und Mädchen des Familienlagers, da die Betreuerinnen und Betreuer sich nicht nur darauf beschränkten, auf die Kinder aufzupassen, sondern insgeheim auch alles Mögliche taten, um ihnen eine Art interessantes Freizeitprogramm zu bieten. Zu den älteren Kindern gehörte auch Dita Polach, die den Betreuerinnen und Betreuern gern bei ihrer Arbeit half.
Als die Vorbereitungen für die Liquidierung des tschechischen Familienlagers im Juli 1944 begannen, war Hans Polach nicht mehr am Leben. Seine Frau Elisabeth und ihre Tochter Dita gehörten zu den weiblichen Häftlingen, die im Juli 1944 nach Hamburg geschickt wurden, nachdem der SS-Arzt Joseph Mengele sie vorher in einer seiner Selektionen für arbeitsfähig befunden hatte.
Die 1000 jüdischen Frauen wurden dem KZ Neuengamme unterstellt, das sie zunächst in das Außenlager Dessauer Ufer im Hamburger Hafen einwies, wo sie schwere Aufräumarbeiten zu verrichten hatten. Sieben Wochen später war das KZ-Außenlager am Falkenbergsweg in Neugraben ihre nächste Station. In diesem Stadtteil wurden sie bei der Herstellung von Fertigbauteilen und beim Bau von Behelfsheimen in der Falkenbergsiedlung eingesetzt. Gelegentlich mussten sie auch in Harburg oder Moorburg bei der Trümmerbeseitigung oder in den Harburger Bergen beim Ausheben des Panzergrabens helfen, mit dem der Vormarsch der Alliierten vor den Toren der Hansestadt gestoppt werden sollte. Am 8. Februar 1945 wurden alle Häftlingsfrauen vom Falkenbergsweg in Neugraben in das KZ-Außenlager Tiefstack verlegt und von dort zwei Monate später im Zuge der Räumung des KZ Neuengamme und seiner Außenlager in das heillos überfüllte KZ Bergen-Belsen überführt.
Als britische Truppen eine Woche später dieses Lager in der Lüneburger Heide erreichten, setzten sie sofort eine beispielhafte Hilfsaktion für die Überlebenden in Gang. Doch Liesl Polach war bereits so geschwächt, dass alle Anstrengungen vergebens waren. Sie starb am 29. Juni 1945 im Alter von 42 Jahren und wurde in Bergen-Belsen in einem Grab, das keinen Namen trägt, beigesetzt.
Text: Klaus Möller, aus: www.stolpersteine-hamburg.de
Quellen:
Institut Theresienstädter Initiative/Nationalarchiv Prag, Jüdische Matriken, Todesfallanzeigen.
Yad Vashem, The Central Database of Shoa Victims‘ Names: www.yadvashem.org
Alwin Meyer: Die Kinder von Auschwitz. Göttingen 1990, S. 125ff.
Ota B. Kraus: Die bemalte Wand. Köln 2002.
Lucille Eichengreen: Von Asche zum Leben -. Erinnerungen. Bremen 2001, S. 90ff.
Karl-Heinz Schultz: Das KZ-Außenlager Neugraben, in: Jürgen Ellermeyer, Klaus Richter, Dirk Stegmann (Hrsg.): Harburg. Von der Burg zur Industriestadt. Hamburg- Harburg 1988, S. 493ff.
Herbert Diercks: Der Hamburger Hafen im Nationalsozialismus. Hamburg 2009, S. 54f. Danuta Czech: Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz- Birkenau 1939-1945, 2. Aufl. Reinbek 1989, S. 603, 684, 811, 820ff.;
Martha Glass: „Jeder Tag in Theresin ist ein Geschenk.“ Die Theresienstädter Tagebücher einer Hamburger Jüdin 1943-19454. Hrsg von Barbara Müller-Wesemann. Hamburg 1996, S. 47ff.
http://www.jewish-theatre.com/Visitor/article_display.aspx?articleID-2492 (eingesehen am 8.3.2010);
Schriftliche Mitteilung von Dita Kraus, geb. Polach, vom 31.10.2009; Yad Vashem, Quarterly Magazine, Volume 41, Jerusalem 2006.
 

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