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Frauenstudien-Frauenforschung

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Monetastraße 4 (später
Frauenstudien Hamburg (FST) - Interdisziplinäre Studienprojekte für Frauen von 1988 bis 2009 an Hamburger Hochschulen
Siehe auch: Frauenbewegung an den Hamburger Hochschulen
Ab 1988 bot die stetig wachsende Anzahl von Lehrveranstaltungen mit Frauenthemen an den Hamburger Hochschulen (ca. 80-100 Seminare pro Semester [1]) einen geeigneten Wissens-Pool für Frauen mit Interesse an Frauenforschung und Frauenstudien. Anders als universitäre Seminare war ein Abitur als regulärer Hochschulzugang in den FST nicht erforderlich. Die Teilnehmerinnen der FST konnten nun an regulären Lehrveranstaltungen als Gasthörerinnen teilnehmen. Zusätzliche Themen organsierten die FST als eigene Seminarangebote, wie z. B. Empowerment, Biographiearbeit, Frauenkulturgeschichte oder weibliches Philosophieren.
Die gesellschaftliche Ungleichheit für Frauen - insbesondere in Bereich (Aus-)Bildung - sollte von den Teilnehmerinnen gemeinsam kritisch hinterfragt und mit persönlichen Erfahrungen verbunden werden. Das Erarbeiten einer eigenen Veränderungsperspektive war letztlich das Ziel der neuen Frauenlernortes in Hamburg.
Gisela Kamke und Dagmar Filter 1984 in ihrem ersten Büro in der Hochschule für Wirtschaft und Politik, Von-Melle-Park 9, Raum A 412; Quelle: privat
Das bekundete Interesse mit und von Frauen zu lernen stand bei der Auswahl der Teilnehmerinnen im Vordergrund. Die FST starteten mit ca. 40 Teilnehmerinnen im Wintersemester 1988/89. Neben Referaten, Textarbeit und Diskussion erarbeiteten sich die Frauen weitere Seminarthemen und benannten Lernziele, was sie zukünftig im Bereich Frauenforschung/ Feministische Wissenschaften erreichen wollten. Im folgenden Semester übernahm Dagmar Filter mit einer Frauengruppe dieses ersten Kurses die weitere Projektleitung. Sie konzipierten nun eine verbindliche Teilnahme von fünf Semestern, studiert werden sollte nun in vier kleinen, geschlossenen Studiengruppen. Die Projektleitungen sollten in Folge gleichberechtigt mit ehemaligen Teilnehmerinnen als Teams zusammenarbeiten. Sie waren für die konzeptionelle Weiterentwicklung und Umsetzung in den fünf Semestern verantwortlich.
Nach dem damaligen Wissensstand über Feministische Bildungsarbeit sollten die Angebote für ‚alle‘ Frauen grundsätzlich zugänglich und hierarchiefrei organisiert sein. Da es in den 80er Jahren jedoch noch wenige theoretische als auch praktische Erfahrungen dazu gab, experimentierten die Hamburger FST gemeinsam mit allen Beteiligten mit der Auswahl feministischer Seminarthemen, mit kreativen Arbeits- und Lernmethoden und auch mit den Organisationsformen, wie z. B. Scheinvergabe, sog. Pflichtseminare, Verbindlichkeit, Abschlussprüfungen, und Mitsprachemodelle. Jedes Projektleitungsteam veränderte die Konzeption, z. B. konnten sich Absolventinnen zusätzlich als FST-Dozentinnen qualifizieren oder als Begleitdozentinnen ab dem 4. Studienprojekt praktisch und Theoretisch ausbilden lassen. Über die Dauer der 20 Jahre war es ein ‚work in progrss‘.
Lustvoll von, mit und für Frauen lernen
Frauen jeden Alters konnten in den FST studieren, forschen und lehren. Die Altersspanne lag zwischen 19-75 Jahre. Die spezifischen sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen an Lebenswirklichkeiten von Frauen boten erste inhaltliche Ausgangspunkte für eine gemeinsame, generationsübergreifende und emanzipatorische Bildungsarbeit.
Alle Seminare basierten auf interdisziplinären und ganzheitliche Lern-Konzepten. Einzige Voraussetzung für die Teilnahme war die bekundete Bereitschaft, sich gemeinsam mit anderen Frauen zu Themen wie z. B. Frauenkulturgeschichte, Ziele der Frauenbewegungen und Feminismus, Frauenpolitiken, ‚Weibliches‘ Philosophieren, ‚Weibliche’ Sprachkritik, Frauengeschichte und Patriarchatskritik auseinanderzusetzen. Ein gemeinsam verbindendes Motto war: „Wachsen am MEHR der anderen Frauen“.
Im Mittelpunkt der FST-Seminare stand die Reflexion der eigenen Lernbiografie. Hier wurden gesellschaftliche Zu- und Einschreibungen über ‚Frau sein‘ und ‚Weiblichkeit‘ im eigenen Erlebten deutlich sichtbar. Als prozessunterstützend und förderlich erwiesen sich ganz besonders künstlerische Methoden, wie kreatives Schreiben, Gestalten und Darstellen, um das eigene So-Geworden-Sein anzunehmen und stimmige Veränderungsperspektiven zu entwickeln. Den Teilnehmerinnen war es daher es sehr wichtig, in einer geschützten Lernatmosphäre zu arbeiten und sich im Seminargeschehen solidarisch zu unterstützen. Wertschätzende Kritik- und achtsame Sprechkultur, z. B. das Einnehmen von selbstreflektierten Sprecherinnenpositionen, trugen mit dazu bei, offene und verdeckte Differenzen aufzudecken und anzuerkennen. Das war gerade bei der sehr vielfältigen Zusammensetzung der jeweiligen Lerngruppen (Alter, sozialer Status, ethnische Herkunft, Religion) sehr wichtig und erlaubte, trotz strittiger Standpunkte einen respektvollen Austausch ganz unterschiedlicher Positionen.
In den Evaluationsbögen [2] der Seminardurchgänge bis 2009 äußerten die Teilnehmerinnen eine sehr starke Identifikation mit den FST, da sie die Seminarthemen selbst mitgestalten und selbst zu einer sehr dichten Lernatmosphäre in den FST beitrugen. Hier entfaltete sich eine Veränderungsdynamik, deren Wirkung weit über das planbare Seminargeschehen hinausging und auch die Teilnehmerinnen überraschte. Einige Absolventinnen hatten große Lust und den Mut, ihre unmittelbar erworben Kompetenzen in die Weiterentwicklung der nachfolgenden FST-Studienprojekte einzubringen, z. B. als Fach-Dozentinnen oder auch bei der Gründung eigener Studien- und Lesegruppen. Einige Teilnehmerinnen qualifizierten sich nach ihrer Studienzeit in zusätzlich organisierten FST-Begleitseminaren, die sie als Zweierteams alleinverantwortlich leiteten. Einige nahmen anschließend auch Tätigkeiten im Bereich der Frauenbildungsarbeit an.
FST ermöglichte den Teilnehmerinnen über fünf Semester eine ganz persönlich reflektierte und gestaltete Forschungsreise. Sie beendeten ihr Studium mit einem selbstgewählten Abschlussprojekt oder mit einer schriftlichen Abschlussarbeit. Dafür erhielten sie das Zertifikat „Referentin für die Frauenbildungsarbeit“. Insgesamt nahmen ca. 350 Frauen an den FST teil, ca. 95 % haben sich für einen offiziellen Abschluss entschieden.
Die Gründerinnen der FST waren: Prof. Verena Fesel aus der damaligen Fachhochschule für Soziale Arbeit, die Diplompädagogin Bettina Jansen-Schulz und Dagmar Filter von der Koordinationsstelle Frauenstudien/ Frauenforschung (jetzt Zentrum GenderWissen). Die Gemeinsame Kommission Frauenstudien/ Frauenforschung (jetzt Gender & Diversity) förderte anteilig die FST während der gesamt Laufzeit.
Ein Verein der „Freundinnen und Förderinnen der FRAUENSTUDIEN Hamburg e.V.“ unterstützte die FST ab 2002. Die Mitfrauen ermöglichten Stipendien für Teilnehmerinnen, die die Gebühr nicht oder nur teilweise aufbringen konnten. Die Vereinsfrauen organisierten auch zusätzliche Workshops und Seminarveranstaltungen. Der Verein ist 2018 in Auflösung begriffen.
Text: Dagmar Filter, Leiterin Zentrum GenderWissen der Hamburger Hochschulen (ehemals Ko-Stelle) März 2018

Die Koordinationsstelle Frauenstudien-Frauenforschung bietet seit 1984 auch eine umfangreiche Bibliothek: die Zentrale Bibliothek Frauenforschung & Gender Studies Bibliothek (seit 2003 Kooperationspartnerin der Hamburger Frauenbibliothek). Der Bestand umfasst über 16.000 Medien zu den Schwerpunkten: interdisziplinäre Frauenforschung, feministische Theorie, Gender Studies /queer theory, Migration, Frauen weltweit, Rassismus/ Nationalsozialismus/ Rechtsextremismus, Arbeit.
Anmerkungen:
1 Dokumentiert in den Frauenvorlesungsverzeichnissen der Ko-Stelle in den oben genannten Jahren, die jedes Semester von der Gemeinsamen Kommission Frauenstudien und Frauenforschung als Print herausgegeben wurden, Redaktion: Gisela Kamke. Seit 2018 im Universitätsarchiv einsehbar.
2 Die Seminarunterlagen, Anträge und Berichte sind ab 2020 im Universitätsarchiv einsehbar
 

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