Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

Israelitisch-humanitärer Frauenverein (IHF)

Hartungstraße 9-11: heute hier die Kammerspiele.
Ab Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die NS-Zeit diente das Haus als jüdisches Gemeinschaftshaus. Es gab einen Sitzungssaal, Festsäle und eine Kegelbahn. Hier war auch der Sitz verschiedener jüdischer Vereine, so auch des 1893 gegründeten Israelitisch-humanitären Frauenvereins, der hier im Ersten Weltkrieg eine Volksküche unterhielt.
„Der Israelitisch- humanitäre Frauenverein war auf Veranlassung der Henry-Jones-Loge gegründet worden, Gustav Tuch führte lange Jahre den Vorsitz. (...) Jüdische Sozialarbeit, d. h. herkömmliche Wohltätigkeit mit neuen ideellem Ansatz, wurde in den 90er Jahren eines der wichtigsten Aufgabengebiete der Henry Jones-Loge. (...) In den folgenden Jahren baute die Loge mit dem Israelitisch-humanitären Frauenverein ein eigenes Sozialwerk auf, für das jeweils selbständige Trägervereine konstituiert wurden. Die ersten Initiativen galten der Veränderung des Berufsbildes der Juden. (...) Schon um 1890 hatte sich die Henry Jones-Loge darum bemüht, jüdische Mädchen für eine Ausbildung als Krankenpflegerinnen zu gewinnen, hatte aber keinen Erfolg gehabt. 1896 unternahm sie gemeinsam mit dem Israelitisch-humanitären Frauenverein einen neuen Anlauf. Der Erlös eines Wohltätigkeitskonzertes bildete den finanziellen Grundstock für die Gründung des ‘Kuratoriums für jüdische Krankenpflegerinnen in Hamburg’. (...) Die Kuratoriumsmitglieder wollten dem Vorurteil begegnen, daß jüdische junge Mädchen für diesen Beruf ‘nach Anlage und Erziehung ... absolut ungeeignet’ seien. Sie galten als ‘zu bequem und anspruchsvoll, fügen sich nicht recht in die Disziplin’ und würden ‘durch Sabbate und Feiertage im Berufe behindert’“. (Erika Hirsch: Jüdisches Selbstverständnis zwischen Antisemitismus und Assimilation: Kontinuität und Wandel des jüdischen Vereinswesens in Hamburg bis zum Ersten Weltkrieg, Frankfurt a.M. 1996, S. 72f.)
„Die Vereinsfrauen verstanden sich nicht als reine Wohltäterinnen oder Armenpflegerinnen, sondern als Gruppe, die sich aktiv an Sozialreform und sozialer Arbeit im Rahmen ihrer allgemeinen emanzipativen Ziele beteiligen wollte. (...) Sozialarbeit wurde auf diese Weise zu einem Mittel der Frauenemanzipation, sollte also nicht nur den Bedürftigen helfen, sondern auch explizit den Vereinsmitgliedern selbst.” (Kirsten Heinsohn: Politik und Geschlecht. Zur politischen Kultur bürgerlicher Frauenvereine in Hamburg. Hamburg 1997 S. 64.) Und Heinsohn weiter: „Bürgerliche Frauen wurden hier zunächst nicht als Frauen, sondern als Jüdinnen angesprochen. (...) Der IHF stellte sich mit seinem Programm ausdrücklich gegen Assimilierungsbestrebungen.” Später dann forderten auch die jüdischen Frauen, beeinflusst durch die bürgerliche Frauenbewegung, gleiche Rechte wie die der Männer in der jüdischen Gemeinde. D. h. die Frauen wollten selbstständige Gemeindemitglieder sein und nicht mehr nur als Ehefrau oder Verwandte in die Gemeinde aufgenommen werden. (vgl. und Zitate: Kirsten Heinsohn, a.a.O., S. 66)
1918 hatte der IHF 1000 Mitglieder.
Der Israelitisch-humanitäre Frauenverein kämpfte auch gegen den Mädchenhandel, der sich in den 1880er-Jahren zu einem Welthandel mit sich prostituierenden Frauen ausgeweitet hatte. Nach den Pogromen in Russland in den Jahren 1880/81 waren auch Jüdinnen zahlenmäßig stärker als Prostituierte tätig. Sidonie Werner, Vorstandsmitglied des IHF, trat somit in den Kampf gegen den Frauenhandel ein. Die Henry Jones Loge sah ihre primäre Aufgabe bei der Bekämpfung des Mädchenhandels darin, indem sie an der „sittlichen Hebung der Judenheit (…) arbeiten“ wollte. (Hirsch, S. 102.). Die Ursache, warum osteuropäische Juden „leider ein nicht unerhebliches Kontingent zu den Mädchenhändlern und deren Opfern stellen“ sah die Loge „in den sozialen Zuständen der dortigen Juden“. (Hirsch S. 102.)
Im Haus an der Hartungstraße befand sich auch die Israelitische Haushaltungsschule (gegr. 1897). Sie bildete junge Mädchen ab dem 15. Lebensjahr für eine künftige Erwerbsarbeit als Dienstbotin, aber auch zur Führung des eigenen Haushaltes aus. Besonders für Letzteres wurde die Schule, deren Gründungskapital vom Israelitisch-humanitären Frauenverein kam, genutzt.
Die Schule wurde in jüdisch-ritueller Weise geführt. Den rituellen Haushaltungsunterricht erhielten die schulentlassenen Mädchen bis 1929 einmal wöchentlich in der Schule Karolinenstraße 35, von 1929 bis 1937/38 dann im Mädchenwaisenhaus Paulinenstift.
 

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