Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

Ammen

»Mütter, seid selbst die Ammen eurer Kinder!« Propagandistischer Kupferstich aus dem Jahre 1784. A. Borel del, E. Voysard sc.; Quelle: Etienne Claude Voysard, gemeinfrei, via Wikimedia Commons
Am 10. Januar 1790 wurde die am Alstertor wohnende 40-jährige Maria M. Heinsen von ihrem vierten Kind entbunden. Die Frau lebte mit ihrem Mann, einem Hilfsarbeiter, am Alstertor. Noch bis kurz vor der Entbindung hatte sie als Wasserträgerin gearbeitet. Doch nach der Geburt des vierten Kindes entschloss sie sich, als Amme tätig zu werden. Aus diesem Grund sind Nachrichten über sie der Nachwelt erhalten geblieben, denn ihr Ammenprotokoll befindet sich im Hamburger Staatsarchiv.
Im 18. Jahrhundert war es nicht Mode, dass Bürgersfrauen ihre Kinder selbst stillten. Viele von ihnen verweigerten das Stillen in Anlehnung an den standesgemäßen Stillboykott adliger Damen. Für Frauen von Rang hatten die gesellschaftlichen Verpflichtungen Vorrang. Deshalb bestand ein großer Bedarf an Ammen. Um ihn zu stillen und um dadurch armen Müttern die Chance einer Erwerbsarbeit zu geben, vermittelte die # Allgemeine Armenanstalt arme Frauen als Ammen. Die 1788 gegründete Anstalt war eine private Institution. Der Staat übernahm sie 1865. Sie hatte ihr Domizil im Alten Waisenhaus gefunden, nachdem ein neues Waisenhaus an der Admiralitätsstraße errichtet worden war. 1790 richtete die Allgemeine Armenanstalt im Alten Waisenhaus an der heutigten Straße „Beim alten Waisenhaus“ ein Ammen-Comptoir ein, an das sich interessierte Bürger wenden konnten, um sich aus dem dort ausliegenden Ammen-Buch eine geeignete Amme auszusuchen. Wurden sie fündig, zahlten sie einen Geldbetrag an den Aufseher der Allgemeinen Armenanstalt und an die Armenärzte, die die potentiellen Ammen bis zu ihrer Vermittlung einmal pro Woche untersuchten. Deshalb mussten die Frauen jeden Tag zwischen zwölf und dreizehn Uhr in ihren Wohnungen anzutreffen sein. War eine Frau zweimal hintereinander abwesend, wurde sie nicht mehr vermittelt.
Im Gegensatz zu anderen Erwerbsarbeiten wie Spinnen, Waschen, Stricken, Kochen und Wassertragen verdienten Frauen mit dem Ammendienst ihr Auskommen. Schließlich konnte nur eine gut genährte Amme dem Säugling ihres Arbeitgebers die ersten sicheren Schritte ins Leben ebnen. Der Preis für dieses gesicherte Auskommen war oft schmerzlich hoch. Ammen durften ihren eigenen Säugling nicht mit zur Arbeit nehmen. Die Muttermilch der Amme sollte allein dem Arbeitgeberkind zu Gute kommen. So waren die Ammen gezwungen, ihr eigenes Baby ebenfalls zu einer Amme zu geben. Dort waren die Säuglinge meist elenden Bedingungen ausgesetzt und starben häufig an Unterernährung. Denn Ammen, die ausschließlich Kinder von Unterschichtfrauen stillten, mussten wegen des geringen Lohns, der ihnen gezahlt wurde, mehrere Kinder „an die Brust“ nehmen, was dazu führte, dass die wenigsten Kinder ausreichend ernährt wurden und viele von ihnen starben.
Text: Rita Bake
Siehe: Rita Bake: Vorindustrielle Frauenerwerbsarbeit. Arbeits- und Lebensweise von Manufakturarbeiterinnen im Deutschland des 18. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung Hamburgs. Köln 1984, S. 149ff.
 

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