Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

Verein Hamburger Volksschullehrerinnen

( Verein Hamburger Volksschullehrerinnen (VHV) )
Bismarckstraße 63-67(ehemals)
Bismarckstraße 63; Quelle/Copyright: kulturkarte.de/schirmer
Heute steht hier der Wohnblock Schartekenburg. Aus dem Verein Hamburger Volksschullehrerinnen entstand der 1897 gegründete Verein Feierabendhaus. Sein Ziel: Bau eines Wohnhauses für Lehrerinnen im Ruhestand und auch für Lehrerwitwen. Das Haus wurde 1907 bezugsfertig.
Der Verein Hamburger Volksschullehrerinnen hatte sich 1893 gegründet und war eine Ortsgruppe des Allgemeinen deutschen Lehrerinnenvereins (ADLV). Kirsten Heinsohn schreibt dazu: „Als Zweck des Vereins wurde angegeben, ‚das Gefühl der Zusammengehörigkeit, das Bewußtsein von der Würde des Standes unter den Mitgliedern zu pflegen und zu kräftigen, dieselben wissenschaftlich und pädagogisch weiterzubilden und sie dadurch in ihrer Berufsthätigkeit zu fördern‘. Die Hamburger Volksschullehrerinnen drückten damit das unter allen Volksschullehrern weitverbreitete Bedürfnis nach gehobener Bildung und sozialem Prestige aus, welches letztendlich in eine Gleichstellung mit den akademisch gebildeten Oberlehrern münden sollte. Die größte Vereinigung der Hamburger Lehrer, die ‚Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens‘ ließ Frauen jedoch erst 1912 als aktive Mitglieder zu, so daß der VHV eine eigenständige berufspolitische Lobby für die Volksschullehrerinnen sein musste. (..)
In Bezug auf die berufspolitischen Wünsche der Lehrerinnen nahm die Diskussion um das ‚Lehrerinnenzölibat‘ eine wichtige Stellung ein. Noch bis 1916 befürworteten die Vereinsmitglieder einmütig das Berufsverbot für verheiratete Lehrerinnen. (…) Der Grund für die Befürwortung des Berufsverbotes im Falle einer Ehe lag in der Sicherung der Erwerbsarbeitsplätze für unverheiratete Frauen und den vermeintlichen ‚Interessen der Schule‘:‘ Die Verallgemeinerung der Forderung: verheiratete Lehrerinnen in der Schule, ist, weil gleichbedeutend mit Vereinigung von Mutterschaft und Lehrerberuf, weder den Interessen der Lehrerinnen, noch denen der Schule dienlich.‘
Aber schon anläßlich dieser Resolution, die sich direkt gegen eine Resolution auf dem Verbandstage der fortschrittlichen Frauenvereine 1904 richtete, regten sich auch nachdenkliche und kritische Stimmen im Verein, die zu bedenken gaben, daß nicht alle Ehefrauen auch Mütter seien, die Gleichsetzung von Ehe und Mutterschaft also nicht zulässig sei,“ schreibt Kirsten Heinsohn in ihrem Buch „Politik und Geschlecht. Zur politischen Kultur bürgerlicher Frauenvereine in Hamburg“. [1] Die Diskussion um dieses Thema wurde in den folgenden Jahren immer wieder geführt. Elisabeth Seifahrt, Vertreterin des gemäßigten Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung, sprach sich vehement für die Beibehaltung des Zölibats aus: „Das Wohl der Schule müsse unter der doppelten Belastung der verheirateten Lehrerin leiden, das unausbleibliche Manko ihrer Tätigkeit werde dem ganzen Stande aufgebürdet werden, das Ansehen der Lehrerin schlechthin in der öffentlichen Meinung leiden, sie zur Kraft zweiten Ranges herabsinken und infolgedessen auch in der Besoldung benachteiligt werden.‘
In dieser Argumentation von Elisabeth Seifahrt wurden die vorhandenen Probleme einer ‘Doppelbelastung’ für die berufstätige Mutter einseitig gegen diese selbst gerichtet und ihnen indirekt die Schuld am ‘Herabsinken’ des Berufsstandes und damit der niedrigeren Besoldung, gegen die der VHV seit seinem Bestehen kämpfte, gegeben. Trotz dieser harten Stellungnahme konnte auch Elisabeth Seifahrt nicht verkennen, daß es Ausnahmen von der Regel gab. Sie schlug deshalb vor, grundsätzlich das Berufsverbot beizubehalten, aber einzelne Ausnahmen zuzulassen.“ (Kirsten Heinsohn, a. a. O., S. 170.)
Die Frage des Zölibats wurde hin und her diskutiert. Bertha Wendt, ebenfalls eine Vertreterin des gemäßigten Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung, meinte: „nicht nur der Lehrerin, sondern jeder Frau müsse der Weg zum Beruf frei gemacht werden, also müsse das Eheverbot fallen“. (Zit. nach Kirsten Heinsohn, a. a. O., S. 171.)
Der Lehrerinnenzölibat war 1880 im Deutschen Reich per Ministererlass „ins Leben“ gerufen worden. Die Ursachen lagen in der damaligen Arbeitsmarktpolitik und dem Rollenverständnis von Frau und Mann begründet: Mit dem Lehrerinnenzölibat konnte „perfekt“ auf die jeweilige Arbeitsmarktlage reagiert werden: gab es einen Lehrermangel, dann wurde der Zölibat gelockert, so dass auch verheiratete Lehrerinnen diesem Beruf nachgehen konnten. Drängten zu viele Lehrerinnen in diesen Beruf, so dass sie zur Konkurrenz für den Mann als Lehrer wurden, dann wurde der Lehrerinnenzölibat wieder streng gehandhabt. Dieses Hin und Her wurde auch in den Jahren von 1919 bis 1957 deutlich: 1919 wurde der Lehrerinnenzölibat auf Antrag der SPD durch die Weimarer Reichsverfassung abgeschafft, doch schon 1923 wieder eingeführt, denn die damalige Arbeitsmarktlage war schlecht für die Männer. 1950 wurde der Lehrerinnenzölibat gelockert: nun wurde nicht mehr generell jede Lehrerin bei Heirat entlassen, sondern nur noch dann, wenn „ihre wirtschaftliche Versorgung nach der Höhe des Familieneinkommens dauernd gesichert erschien. (…) Die Personalabbauverordnung galt bis 1951 (außer in der DDR). Erst danach konnten Lehrerinnen eine Familie gründen und weiterhin beruflich tätig sein: Die Kündigung aufgrund von ‚Doppelverdienst‘ wurde zu diesem Zeitpunkt abgeschafft; der Beamtinnenzölibat galt ab diesem Zeitpunkt nicht mehr.“ (Wikipedia: Lehrerinnenzölibat, abgerufen: 31.8.2019) Doch in Baden-Württemberg gab es den Lehrerinnenzölibat weiterhin noch bis 1956. Erst das „Bundesarbeitsgericht hob die Zölibatsklausel mit Urteil vom 10. Mai 1957 auf“, so dass man sagen kann, dass erst seit 1957 in der Bundesrepublik Deutschland der Lehrerinnenzölibat gänzlich abgeschafft ist.
Zurück zum Verein Hamburger Volksschullehrerinnen. Kirsten Heinsohn schreibt weiter über ihn: „Der VHV bemühte sich intensiv um Kooperation mit mehreren Frauenvereinen, und zwar sowohl mit ausgeprägt ‚gemäßigten‘ wie dem ADF [Allgemeiner Deutscher Frauenverein] als auch mit radikalen wie dem Verein ‚Föderation‘. Der VHV trat beispielsweise als einer der ersten Vereine der 1896 gegründeten Ortsgruppe [Hamburg] des ADF bei (…). Deshalb kann der VHV neben den neuen sozialen Vereinen als eine der ersten Frauenorganisationen in Hamburg gelten, die die Emanzipation der Frau in Beruf und Gesellschaft vorantreiben wollten.“ [1] (Kirsten Heinsohn, a. a. O., S. 174.)
Text zusammengestellt: Rita Bake
Quelle:
1 Kirsten Heinsohn: Politik und Geschlecht. Zur politischen Kultur bürgerlicher Frauenvereine in Hamburg. Hamburg 1997, S. 167 und S. 169ff.
 

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