Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

Marie Starke

(1814 in Parchem - ?)
radikale Linke, Mitglied der Freien Gemeinde
Zeughausmarkt 14 (Wohnadresse)
Alter Wall 70 (Wirkungsstätte)
Am Zeughausmarkt 14 lebte das Ehepaar Starke mit ihrem Sohn. Die bescheidene Wohnung hatte eine Stube, Kammer, Kochstelle und Diele. Der Mann war Tapezierer, die Frau Hausfrau.
1847 wurde der Name der damals 33-jährigen Marie Starke mehrfach in Polizeiakten aufgeführt, in denen Verhörprotokolle und Beobachtungsberichte über die Tätigkeit der Freien Gemeinde abgeheftet waren. Sie hatte sich in Hamburg im Zuge der bürgerlichen Revolution von 1848 gegründet. Anders als in den Arbeiterbildungsvereinen, in denen nur Männer das Sagen hatten, hatten in der Freien Gemeinde auch Frauen ein Wort mitzureden. Die freireligiöse Gemeinde kannte weder Prediger noch liturgische Handlungen, dafür aber Versammlungen, Vortrags- und Diskussionsabende und Ausflüge. Sie galt als radikal und sich der Arbeiterklasse zugehörig fühlend. Deshalb bespitzelte die Polizei die Versammlungen, auf denen Marie Starke häufig das Wort ergriff. Was sie dazu veranlasste, politisch aktiv zu werden und ihr gesellschaftliches Rollenverständnis als Frau zu hinterfragen, ist nicht mehr zu ermitteln.
Auf Marie Starkes Initiative bildete sich in der Freien Gemeinde ein Frauenbildungsverein, der sich einmal wöchentlich am Alten Wall 70 traf, im Hause des jüdischen Kaufmanns Dormitzer und seiner Frau, die ebenfalls Mitglieder der Freien Gemeinde waren. Dort gab es für die Frauen auch eine Bibliothek mit ausgewählten Schriften humanistisch-sozialistischen Inhalts.
Marie Starke propagierte die Liebesheirat und lehnte die in der damaligen Zeit oft praktizierte Konvenienzehe ab. Außerdem machte sie sich stark für eine Hochzeit ohne den Segen der Kirche. Um den Frauen bessere Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten zu ermöglichen, wollte Marie Starke weibliche Arbeitsbeschaffungen einrichten. Sie vertrat die Idee, die Gewinnspanne der Unternehmer könne ausgeschaltet und damit für höhere Frauenlöhne gesorgt werden, wenn die Gemeinde selbst Rohstoffe einkaufen und die Arbeiterinnen daraus Produkte herstellen würden. Diese Ideen fielen auf fruchtbaren Boden. Die Gemeinde erhielt immer mehr Zulauf. [1] Doch am 28. November 1847 kam es auf einer Versammlung der Freien Gemeinde in der Tonhalle, zu der ca. 1.000 Menschen erschienen waren, zu einem Tumult. Auslöser war Marie Starkes Rede. In Hut und Mantel war sie ans Redepult getreten und hatte laut Polizeibericht verkündet: „Man bedürfe, um gut zu sein, keiner positiven Religion. (...) Die Religion müsse aufhören, da durch sie der Haß in dessen Folge der Krieg, also Unglück in die Welt gekommen sei. An Stelle der Religion müsse die Humanität treten. (...) Beim Vortrag Marie Starkes habe jemand dazwischen gerufen, dass sei zu arg, das dürfe nicht geduldet werden. Dieser Mann, welcher Häbenet hieß, sei hinausgeschoben worden. (...) Häbenet sei u. a. von Starke hinausgedrängt worden.“ [2] Marie Starke wurde zum Verhör vorgeladen und gab zu Protokoll: „Sie messe der Taufe keinerlei Bedeutung bei. (...) Hätte man sie nicht als Kind getauft, würde sie bei freier Wahl gewiß nicht die christliche Religion annehmen. Ihrem jetzt siebenjährigen Sohn habe sie bis jetzt keinen religiösen Unterricht geben lassen, sie glaube auch, daß ihr Sohn denselben entbehren könne, da die Religion keinen Einfluß auf die Moral habe. (...) Eine religiöse Sanktion der Ehe sehe sie als völlig überflüssig an und halte sie das Institut der Civilehe für das richtige“. Befragt nach dem Tumult in der Tonhalle äußerte sie die Vermutung, die Störaktion sei absichtlich durchgeführt worden.
Nach diesem Vorfall wurde es um die Freie Gemeinde stiller. Der Senat sprach zwar kein schriftliches Verbot aus, doch den Gründern der Freien Gemeinde – dem Leipziger Karl Kleinpaul, der sich seit einigen Jahren als Schriftsteller und Publizist in Hamburg aufhielt und dem Danziger Commis Fischel – wurden nach Ausbrechen der bürgerlichen Revolution im März 1848 die Aufenthaltsgenehmigungen für Hamburg entzogen. Sie mussten Hamburg verlassen, was das Aus für die Freie Gemeinde bedeutete.
August Starke, der ebenfalls Mitglied der Freien Gemeinde war, emigrierte mit seiner Frau nach London, wo er sich dem Bund der Kommunisten anschloss. Über den weiteren Lebensweg des Ehepaares Starke ist nichts mehr bekannt.
Text: Rita Bake
Zitate:
1 Vgl.: Karl Kleinpaul: Schicksale der freien Gemeinde. In: Der Wächter an der Ostsee, 1848.
2 Polizeibehörde, Kriminalwesen Serie V, Lit T. No. 2332, Staatsarchiv Hamburg.
 

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