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Luise Zietz

( Luise Zietz, geb. Körner )
(25.3.1865 Bargteheide/Holstein – 27.1.1922 Berlin)
Funktionärin der sozialdemokratischen Frauenbewegung, der „weibliche Bebel“
Große Theaterstraße 44/45 (Wirkungsstätte)
Bestattet in Berlin, Friedrichsfelder Zentralfriedhof
Luise Zietz gehörte zu denjenigen, die damals in der großen Theaterstraße 44-45 ein- und ausgingen, denn dort befanden sich die Druckerei des "Hamburger Echos" und die Parteizentrale der SPD. Quelle: Staatsarchiv Hamburg
Im Haus Große Theaterstraße 42–44 hatte bis zur Machtübernahme durch die Nazis 1933 die SPD ihr Bezirksbüro. Als hier noch das Zentrum der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung war, ging hier auch Luise Zietz ein und aus. „Ehefrau Zietz aus Hamburg, ca. 44 Jahre alt, 165 cm groß, blond. Trug das Haar gescheitelt. Bekleidet war sie mit einem kleinen, runden Strohhut, roter Bluse und schwarzem Rock. Hat gelblichen Teint und macht den Eindruck, als gehöre sie dem Arbeiterstande an“, schrieb ein Spitzel 1906, als die damals 41-Jährige sich gerade mal wieder auf Agitationstour befand. Im selben Jahr wurde sie zu mehreren Monaten Gefängnis verurteilt, weil sie bei einem Massenstreik der Hamburger Arbeiterschaft eine Rede gehalten hatte.
Luise Zietz, Quelle: AdsD/Friedrich-Ebert-Stiftung
Luise Zietz war die älteste Tochter eines Wollwirkers. Wie ihre fünf Geschwister musste auch sie bereits als Kind in der Heimweberei ihres Vaters arbeiten. Bevor sie im Fröbelseminar eine Ausbildung zur Kindergärtnerin begann, arbeitete sie als Dienstmädchen, Kaffeevorleserin und Fabrikarbeiterin in der Zigarettenproduktion.
Sie heiratete den Hafenarbeiter Karl Zietz. Doch die Ehe hielt nicht lange. Durch ihren Mann in Kontakt mit der Arbeiterbewegung gekommen, engagierte sie sich seit 1892 besonders in der sozialdemokratischen Frauenbewegung. Eines ihrer politischen Ziele: „Her mit dem Frauenwahlrecht.“
Wegen ihres politischen Kampfes musste sie auch Gefängnisstrafen über sich ergehen lassen. Als sie 1900 wegen ihrer politische Aktivitäten in der Strafanstalt Fuhlsbüttel inhaftiert war, musste sie sich „einer entwürdigenden körperlichen Zwangsuntersuchung durch einen Gefängnisarzt unterziehen: ‚Wie ich auf den Wink der Wärterin entkleidet – selbst die Schuhe mußte man draußen ausziehen – ins Zimmer des Arztes trat und diesem auf das gröbste angeschnautzt und mit ‚Du‘ angeredet wurde, glaubte ich mich nicht nur meiner Kleider, sondern auch meiner Menschenwürde beraubt, so entsetzlich erniedrigend und demütigend wirkte der ganze Vorgang auf mich.‘ Der Beschreibung dieser entwürdigenden Prozedur schloss sich Luise Zietz‘ Appell an: ‚Mindestens könnte man wohl verlangen, daß dem Schamgefühlt soweit Rechnung getragen wird, daß weibliche Aezte an Frauengefängnissen angestellt bzw. mit der Untersuchung weiblicher Gefangener betraut (werden).‘ Diesen Vorgang griff der Verein frauenwohl auf, um bei der Gefängnis-Deputation konkrete Forderungen nach einer Gefängnisärztin für alle Frauen zu stellen, an denen Zwangsuntersuchungen vorgenommen wurden. Der Senat befand, dass der Antrag einer Begründung entbehrte und dass auf das Gesuch um Anstellung eines weiblichen Arztes nicht einzugehen sei.‘“ [1] (siehe dazu weiter im Eintrag zu: Maria Wilhelmine Gleiss)
Luise Zietz war eine begnadete Rednerin. Während des Hafenarbeiterstreiks 1896/97 sprach sie auf Frauenversammlungen und setzte sich für die Ziele des Streiks ein. Von 1900 bis 1908 war sie Vertrauensfrau der sozialdemokratischen Frauen. Zwischen 1908 und 1917 arbeitete sie als Reichsfrauensekretärin der SPD. Und als 1908 das neue Reichsvereinsgesetz den Frauen das Recht auf Mitgliedschaft in politischen Parteien zugestand, wurde Luise Zietz als erste Frau Mitglied des SPD-Parteivorstandes. August Bebel wurde ihr Förderer. Als er 1912 an einer Lungenentzündung erkrankte, pflegte sie ihn.
Trotz ihrer exponierten Stellung innerhalb der SPD musste sie erfahren, dass „Genossen in leitender Stellung“, neidisch und von patriarchalen Vorurteilen durchdrungen ihr immer wieder Steine in den Weg legten. Sie schrieb: „Immer und immer wieder erlebte ich, daß meine frauenpolitischen Anträge im Parteivorstand aufgeschoben oder abgelehnt wurden.“
1908 setzte Luise Zietz zum ersten Mal die Quotierung durch. Es gelang ihr, dass folgender Passus in das Organisationsstatut der SPD aufgenommen wurde: „Die weiblichen Mitglieder müßten im Verhältnis zu ihrer Zahl im Vorstand vertreten sein.“
Wegen ihrer konträren Einstellung zur Kriegspolitik der SPD enthob sie 1917 der SPD-Parteivorstand ihres Amtes. Daraufhin gründete sie die USPD mit, für die sie 1919 in den Reichstag gewählt wurde, dem sie bis zu ihrem Tod im Jahre 1922 angehörte. Im Reichstag war sie eine der profiliertesten Rednerinnen. Wegen ihrer zahlreichen Zwischenrufe, in denen sie z. B. Reichswehrminister Noske als „unverschämten Mörder“ bezeichnete, wurde sie als „Furie“ tituliert. Die bürgerliche Presse beschimpfte sie als „beschränkte Proletarierfrau“, die seitens der Natur eine „übergroße Menge männlicher Moleküle“ bekommen habe.
Luise Zietz starb in der Nacht, nachdem sie zuvor während einer Sitzung im Reichstag einen Herzinfarkt erlitten hatte.
Text: Rita Bake
Quellen:
Vgl.: Karen Hagemann, Jan Kolossa: Gleiche Rechte – Gleiche Pflichten? Der Frauenkampf für „staatsbürgerliche“ Gleichberechtigung. Hamburg 1990, S. 40.
Benjamin S. Mann: Gedenken in Friedrichsfelde. Vor achtzig Jahren starb Luise Zietz, in: Zeitschrift „antifa“, Januar 2002.
1 Andrea Brinckmann, Eva Brinkschulte: Die ersten Ärztinnen in Hamburg und am UKE, in: Spurensuche – erste Ärztinnen in Hamburg und am UKE. Hrsg. Von Eva Brinkschule, Hamburg 2014, S. 18f.
 

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