Hamburger Frauenbiografien

Frauenbios

Marianne Prell

(20.7.1805 in Hamburg - 27.8.1877 in Hamburg)
Erzieherin Hamburger Persönlichkeiten
Althamburgischer Gedächtnisfriedhof: Grabplatte "Pädagogen"
Holländische Reihe 19 (Wohnadresse)
Kirchenallee 24 (Wirkungsstätte: Schuladresse)
"Am 27. August entschlief sanft in ihrem 73. Lebensjahre unsere liebe Schwester Marianne Prell, auf's schmerzlichste vermißt von den ihrigen", so lautete im "Hamburgischen Correspondenten" vom 30.10.1877 die Todesanzeige für Marianne Prell. Einen Monat zuvor war am 1.7.1877 der Ohlsdorfer Friedhof eröffnet worden. Marianne Prell fand dort als eine der ersten ihre Ruhestätte.
Am 20. Juli 1805 wurde Marianne Prell in Hamburg als erstes von sieben Geschwistern geboren. Ihr Vater, Andreas Prell, war ein Lüneburger Kaufmann, der durch seine Ehe mit Anna Dorothea Moller seinen Sitz nach Hamburg verlegt hatte. Während der französischen Besetzung kämpfte Andreas Prell von 1806 bis 1814 als Oberstleutnant in der Bürgerwehr erfolgreich in vorderster Front gegen Napoleons Truppen. Später wurde er Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft.
Mit 27 Jahren entschloss sich Marianne Prell mit ihrer jüngeren Schwester Franziska eine Elementarschule für Mädchen im elterlichen Hause in der Holländischen Reihe Nr. 19 zu eröffnen. Dazu schrieb die Malerin Marie Zacharias: "Es war ihre Absicht gewesen, eine Mädchenschule zu gründen, doch wurde eine Jungenschule daraus, in der aber die drei einzigen Mädchen Amanda Pietzker, Agnes Lenz und ich, die die Schule aufgetan hatten, noch lange beibehalten wurden. Ein fröhlicher gemütlicher Geist durchwehte das alte Haus an der Holländischen Reihe. Sorgen kannte man nicht, nur Vergnügen." (Marie Zacharias: Familien-, Stadt- und Kindergeschichten. Hamburg 1954.)
Ein weiterer Schüler von Marianne Prell war Paul Hertz, dem in seinen Erinnerungen nicht nur eine milde, sondern auch strenge, pädagogisch begabte Marianne Prell gegenwärtig war: "Marianne hatte geradezu großes pädagogisches Talent. Klug, energisch, praktisch, zur rechten Zeit strenge und zur rechten Zeit milde, beherrschte sie ihre Schule unbedingt. Marianne nicht zu gehorchen, ging einfach nicht an und fiel niemandem ein. Franziska war eine weichere Natur, die sich der Schwester willig unterordnete. Sie gewann sich die Liebe der kleinen Ankömmlinge sofort und war deshalb besonders geeignet, die Kinderseelen vom Spiel zur Arbeit überzuleiten." (Paul Hertz: Unser Elternhaus. Hamburg 1913.)
Wegen ihrer größeren Strenge führte Marianne die Oberaufsicht über die Schule. Ansonsten waren die Schwestern gleich ausgelastet: Marianne leitete die erste Klasse, gab Rechnen, Geographie, biblische- und Weltgeschichte. Franziska führte die zweite Klasse - mehr Klassen gab es nicht - und unterrichtete im Lesen und Schreiben. Jungen ab dem sechsten Lebensjahr besuchten für zwei bis drei Jahre diese Schule und erhielten täglich zwischen neun und fünfzehn Uhr fünf Stunden Unterricht und eine Stunde Exerzieren.
Mariannes erklärtes Ziel war es, ihre Schüler zu energischen patriotischen Männern zu erziehen. Denn Marianne entwickelte einen ausgeprägten Patriotismus: "Sie hatte mitgelitten, als die Stadt von den Franzosen unterjocht und jahrelang mißhandelt war, sie hatte mitgejubelt, als endlich die Befreiung kam,“ (Paul Hertz, a. a. O.) erinnerte sich Paul Hertz. Und sie hatte miterlebt, wie ihr Vater gegen die Franzosen gekämpft hatte - das prägt. Der patriotische Einfluss zeigte sich im Fach "militärische Wissenschaft". Täglich zwischen 12 und ein Uhr mussten die Jungen, die alle eine Patronentasche und ein Gewehr besaßen, im Schulgarten exerzieren üben. In jedem Jahr bedeutete der 18. Oktober ein besonderer Höhepunkt im Fach Exerzieren: "Der größte Tag des Jahres war der achtzehnte Oktober, der Jahrestag der Schlacht bei Leipzig. Marianne richtete ihren Geschichtsunterricht so ein, daß einige Wochen vorher die Geschichte Napoleons an die Reihe kam. (...) Sie erzählte uns die ergreifende Geschichte der Knechtschaft und der ruhmvollen Wiedererhebung Deutschlands. Ihrer Methode nach schilderte sie besonders die Schicksale der Vaterstadt, viele persönliche Erlebnisse einflechtend. Wir hörten, wie es in ihrem eigenen Hause, in dem wir uns ja selbst befanden, hergegangen war. (...) Am achtzehnten Oktober selbst wurde eine große militärische Revue abgehalten. Wir teilten uns in zwei Parteien und manövrierten im ganzen Hause nach allen Regeln der Kriegskunst gegeneinander. Nachher aber zog die ganze Armee im Parademarsch in die große Schulstube ein. Dort saß dann der alte Oberstleutnant in einem Lehnstuhl und blies auf einem Kamm den Pariser Einzugsmarsch. (...) Wir waren unsagbar stolz darauf, daß der alte Held uns persönlich kommandierte (...). Schließlich präsentierten wir das Gewehr und sangen alle zusammen `Auf Hamburgs Wohlergehen`, während Marianne in kräftigen Akkorden auf dem Klavier begleitete und die Trommeln wirbelten," schrieb Paul Hertz.
Auch Marie Zacharias konnte sich gut an den alten Major Prell erinnern, der bei seinen Töchtern im Schulhaus lebte: "Herr Prell war der Inbegriff alles Militärischen, und wenn wir zu Hause das Lied `Schier dreißig Jahre` sangen, so kam im vierten Vers anstatt `der Appell`, `der Herr Prell, der macht alles lebendig`." (Marie Zacharias, a. a. O.)
Marianne Prells Patriotismus als Unterrichtsfach verschaffte der Schule den Ruf, eine der besten und vornehmsten Privatschulen zu sein, obwohl es 1833 bereits mehr als 200 verschiedene, mehr oder weniger gute Privatschulen in der Hansestadt Hamburg gab.
Althamburgischer Gedächtnisfriedhof: Grabplatte "Pädagogen", Quelle: Verein Garten der Frauen e. V.
1863 gab Marianne Prell anonym ihre Kindheitserlebnisse unter der französischen Fremdherrschaft heraus. Der Titel ihres Buches lautete "Erinnerungen aus der Franzosenzeit in Hamburg von 1806 - 1814". Bis 1913 erschienen sieben Auflagen.
Die Schule, die in der Zwischenzeit zweimal verlegt worden war und sich zuletzt in der Kirchenallee Nr. 24 im Stadtteil St. Georg befand, schloss Ostern 1877. Wenige Monate später, am 27. August 1877, starb Marianne Prell im Alter von 73 Jahren. Als Erzieherinnen vieler berühmter Hamburger Männer des 19. Jahrhunderts finden sich ihr und der Name ihrer Schwester (gest. 1903) auf dem Althamburgischen Gedächtnisfriedhof.
Ihr Vater Johann Andreas Prell (1774-1848) ist auf dem Gedächtnisfriedhof auf der Grabplatte "Bürgermilitär" verewigt worden.
Text: Birgit Köhler
 

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