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Fritz Klesper

(geb. 1900 - gest. ?)
Oberregierungsrat, Leiter der Strafabteilung der Devisenstelle
Dienstadresse 1939: Großer Burstah 31
privat 1939: Tornberg 22

Der Historker Björn Eggert schreibt über Fritz Klesper in der Biografie über Felix Matthies (1882- deportiert am 24.2.1943 nach Theresienstadt, am 28.10.1944 weiterdeportiert nach Auschwitz). Für Felix Matthies, Hamburger Kaufmann und Teilhaber der Im- und Exportfirma Albert Geo Simon ( Katharinenstraße 47/48, Montanhof), liegt ein Stolperstein vor dem Privathaus Mittelweg 58. Die Biografie ist nachzulesen unter www.stolpersteine-hamburg.de
Fritz Klesper war seit 1934 in der Devisenstelle tätig. (Siehe dazu auch im Profil zu Josef Krebs) „Die Devisenstelle gliederte sich in eine ‚Genehmigungsabteilung‘, unter Reichsbahnkoberinspektor Clausnitzer und eine ‚Überwachungsabteilung‘, die von Regierungsrat Klesper geleitet wurde und sich der Überwachung, Prüfung und Strafverfolgung im engeren Sinne widmete. Sie arbeitete eng mit der Hamburger Zollfahndungsstelle unter Zollrat Hackbarth zusammen, die der Abteilung Zoll beim Landesfinanzamt- bzw. Oberfinanzpräsidenten unterstand und über 4 Oberzollinspektoren, 24 Zollinspektoren sowie eine unbekannte Zahl von Zollobersekretären und Zollsekretären verfügte.“ [1]

Fritz Klesper „erließ am 3. Dezember 1938 auch eine Sicherungsanordnung gegen das gesamte Vermögen von Felix Matthies. Ohne Zustimmung des NS-Staates konnte der Kontoinhaber nun nicht mehr über sein Girokonto, Sparbuch und Wertpapierdepot bei der Hamburger Sparcasse von 1827 verfügen; monatlich 900 RM wurden ihm anfänglich für Abhebungen bewilligt, einige Zeit später aber auf 500 RM reduziert. Am 21. März 1939 wurde er zu einer 'Besprechung' in der Devisenstelle vorgeladen, dabei wurden durch den Regierungsrat Klesper Informationen eingeholt, wie die Firmenbeteiligung nach einer Ausreise von Felix Matthies weitergeführt werden sollte. Der NS-Staat hatte zur Unterstützung der deutschen Exportwirtschaft den betroffenen Firmen ab 1935 Entschädigungsbeträge für die Reichsmarkabwertung vergütet. Nur im Falle einer Auswanderung und Geschäftsveräußerung gingen diese Verlustausgleichsbeträge (bei Firma Albert Geo Simon über 164.000 RM) ersatzlos verloren. Während Felix Matthies nun am 24. März den 'Fragebogen für Auswanderer' in dreifacher Ausfertigung nebst Listen mit dem Umzugsgut erstelle und umgehend einreichte, leitet die Devisenstelle (Abteilung F 10) am 28. März einen Vermerk an eine andere Abteilung im Behördenapparat weiter: 'mit der Bitte um Verlängerung einer Passsperre gegen die Juden 1. Felix Matthies (…) 2. Dr. Julius Fliess. Beide Personen sind Kommanditisten der Firma Albert Geo Simon in Hamburg 8 (…) Sie betreiben ihre Auswanderung (…). Es besteht daher der Verdacht, dass im Falle einer Auswanderung die vorbenannten Personen über die Auslandsforderungen der Firma Albert Geo Simon im Auslande verfügen werden.'
Der NS-Staat spekulierte auf die Außenstände der Firma in Südamerika sowie auf die Beteiligungen der drei als Juden eingestuften Kaufleute Felix Matthies, Julius Fliess und Werner Moritzen. Die für Mitte April 1939 geplante Auswanderung von Felix Matthies nach Venezuela (Südamerika), kam aufgrund der staatlichen Behinderungen nicht zustande. Für die Emigration hatte Felix Matthies bereits seine 1930 abgeschlossene Lebensversicherung bei der Iduna Germania Lebensversicherung AG (Berlin) am 15. Mai 1939 mit Verlust gekündigt. Auch lag von Warburg & Co., Amsterdam (Keizersgracht 608) die geforderte Bürgschaftserklärung vom 24. Juli 1939 zugunsten von Felix Matthies und Julius Fliess vor, für das Umzugsgut hatten sie am 25. August 1939 eine Dego-Abgabe über 830 RM geleistet. Doch die Hamburger Finanzbehörde machte Schwierigkeiten. Der Regierungs-Assistent in der Devisenstelle (F 10) Cai von Rumohr schrieb am 25. September 1939 an die Reichsbankhauptstelle in Hamburg:
'Ich beabsichtige dem Kommanditisten Matthies die Unbedenklichkeitsbescheinigung für den Pass erst dann zu erteilen, wenn die in Tz. 7 und 8 dieses Berichts aufgeführten Auslandsforderungen, soweit diese als einbringlich angesehen werden können, restlos abgewickelt sind.' Dass hinter dieser Hinhaltetaktik auch sehr kühl kalkulierte wirtschaftliche Aspekte standen, zeigte ein Vermerk des Regierungs-Assistenten von Rumohr vom 20. Oktober 1939: '(…) dass im Hinblick auf die augenblicklichen Zeitumstände zunächst von einer Arisierung abgesehen werden soll. Falls der Krieg von längerer Dauer sein würde, sei mit einem Zusammenbruch des Geschäfts zu rechnen und lohne es sich daher nicht, dem Käufer (Burose) unnötige Kosten aufzubürden. (…)'. Gemeint war Walter Burose, für den der "Arisierungs-Kauf" der Firma im Februar 1942 entgegen der Prognose des Finanzbeamten sehr lukrativ war. Walter Burose (Jg. 1907) besaß seit 1928 in Südamerika eine eigene Firma, er kehrte erst 1939 nach Deutschland zurück. In einem Fragebogen vom Dezember 1945 musste er sein Einkommen von 1933 bis 1945 offenlegen; seine Jahreseinkünfte hatten sich von 1941 auf 1942 verdoppelt. Da eine Erklärung zu dieser ungewöhnlichen Steigerung nicht abgeben werden musste, konnte er die "Arisierung" verschweigen. (…)

Oberregierungsrat Fritz Klesper (Jg. 1900) musste im März 1948 in Hamburg vor einem Entnazifizierungsausschuss erscheinen. Da ihm zwar die Mitgliedschaft in der NSDAP (seit 1.5.1933) aber weder Schikane noch eine eigenständige nationalsozialistische Gesinnung nachgewiesen werden konnten, verblieb er auf seinem Dienstposten. Nachdem er zuerst in Kategorie IV eingestuft wurde, war später nur noch von Mitläufertum (Kategorie V) die Rede. Der Berufungsausschuss war 1949 'zu der Überzeugung gelangt, dass der Berufungsführer (Klesper) trotz seines frühen Beitritts zur Partei, keine inneren Bindungen zu den Bestrebungen der Partei gehabt hat.' Sein Anwalt schrieb entschuldigend über den damals 32jährigen Regierungsrat: 'Wie viele der jungen Beamten ist Herr Klesper im Jahre 1933 unter dem Druck des Behördenleiters, vertreten durch den damaligen Personalchef, Oberregierungsrat Dr Werdermann, in die NSDAP eingetreten. Herr Oberregierungsrat Werdermann hatte alle höheren Beamten in einer Versammlung zum Eintritt in die NSDAP aufgefordert.' In der Devisenstelle hatte Klesper als Leiter der Strafabteilung und gleichzeitig auch stellvertretender Dienststellenleiter (Vorgesetzter und Sachgebietsleiter war Oberregierungsrat Joseph Krebs) auch Kontakt zum Gauwirtschaftsberater und der Gestapo. Im Mai 1940 wechselte er zum Reichswirtschaftsministerium nach Berlin, wo er Leiter der 'Abteilung Frankreich' wurde." [2]

Jürgen Lillteicher schreibt in seinem Buch „Raub, Recht und Restitution. Die Rückerstattung jüdischen Eigentums in der frühen Bundesrepublik" über Fritz Klesper: „Die Devisenstelle in Hamburg hatte sich in besonders aggressiver Weise durch so genannte Sicherungsanordnungen des Eigentums der Juden bemächtigt." [3]

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus machte Klesper weiter Karriere und zwar diesmal bei der Rückerstattung von Grundstücken an die ehemaligen jüdischen Besitzer. "Die Vergangenheit Klespers schien seiner Verwendung in Rückerstattungsangelegenheiten nicht im Wege gestanden zu haben. Auch seiner Karriere in der Finanzverwaltung hatte sich ungehindert fortgesetzt, denn er war inzwischen vom Regierungsrat zum Oberregierungsrat aufgestiegen. Die zu verhandelnden Schadensgruppen umfassten:

  • a) Ansprüche auf Herausgabe von 400 Grundstücken;
  • b.) Schadensansprüche gegen das Reich, hier insbesondere 1000 angemeldete Ansprüche auf Rückerstattung von Umzugsgut;
  • c.) Ersatzansprüche gegen das Reich wegen der Entziehung von Edelmetallgegenständen und Haushalt;
  • d.) Geldansprüche gegen das Reich wegen der Entziehung von Sonderabgaben und Sondersteuern sowie wegen der Entziehung von Wertpapieren.

(...) Die Finanzbehörde zog jedoch die Erfüllung ihrer Verpflichtungen in die Länge, bisweilen glaubte man auch, durch das anstehende Wiedergutmachungsabkommen des Staates Israel mit der Bundesrepublik von jeglichen Rückerstattungsforderungen der JTC [Jewish Trust Corporation] befreit zu werden. Man spielte also auf Zeit." [4]

Siehe auch das Profil über Friedrich Feldhoff.

Quellen:
1 Frank Bajohr: „Arisierung“ in Hamburg. Die Verdrängung der jüdischen Unternehmer 1933-1945. 2. Aufl. Hamburg 1997, S. 191.
2 Björn Eggert: Felix Matthies unter: www.stolpersteine-hamburg.de. Alle Quellenhinweise, die in dem Zitat nummeriert sind und ebenso weiterer Text zu: Felix Matthies finden Sie unter: www.stolpersteine-hamburg.de
3 4 Jürgen Lillteicher: Raub, Recht und Restitution. Die Rückerstattung jüdischen Eigentums in der frühen Bundesrepublik. Göttingen 2007, S. 386.
 

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Von Hamburger NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Zuschauer/innen ... Eine Hamburg Topografie.

NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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