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Motorenwerk Hamburg der Howaldtswerke (M.A.N.)

Bau und Reparatur von Schiffsdieselmotoren und Lokomotivteilen
Firmenlager für Zwangsarbeiter*innen
Neuhofer Straße 11 (heute Neuhöfer Straße )

Lager für 340 Zwangsarbeiter*innen. Es bestand im Juni 1943.
Über den Arbeitsbeginn bei M.A.N. erinnert sich 2001 Iwan Mojssenko aus der Ukraine in einem Brief, der in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme archiviert ist: „Ich kam am 18. Mai 1942 nach Hamburg. Am Bahnhof Hamburg-Harburg wurde direkt in den Eisenbahnwaggons von Gestapo-Angehörigen eine Anmeldungsprozedur durchgeführt, d.h. Fotografieren, Abnahme von Fingerabdrücken und andere Formalitäten. … Ich begann bei den Hamburger Motorenwerken, Halle 3, als Arbeiter, später arbeitete ich als Dreher ... Wir wurden unter Aufsicht von deutschen Militärs und Polizisten, die unter den „Ostarbeitern“ rekrutiert worden waren, zur Arbeit gebracht.“

Feodor Kadazkij, berichtete im Februar 2003, dass 150 russische Arbeiter der Firma MAN 1944 der Erschießung von 20 „Ostarbeitern“ des Lagers Lederstraße durch die SS wegen Diebstahls von zwei Hemden hätten zusehen müssen. Sie seien auf zwei Anhängern vom Lager Hachmannkai in die Winsberge gefahren worden, um an der Hinrichtung als „Zuschauer teilzunehmen“.

Für M.A.N. mussten auch die Ukrainer Markian Got als Schweißer, Emil Kardasz als Dreher und Antonius Gnot als Schlosser Zwangsarbeit leisten.
Emil Kardasz hatte Maria Wasylynka, die in „Schlutup“, Holzlager, einem Stadtteil von Lübeck, für die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken arbeiten musste, kennengelernt und im September 1943 geheiratet. Durch diese Verbindung entstand sicher auch die Beziehung von Antonius Gnot zu Anna Struk, die ebenfalls in „Schlutup“ arbeiten musste. Sie heirateten im April 1944. Sophia Tiut’ko und Markian Got waren bereits in der Ukraine verheiratet.
Die Ehepaare waren miteinander befreundet und im Lager Neuhoferstraße Nr. 11 (heute Neuhöferstraße) untergebracht. Alle drei Ehepaare bekamen ein Kind. Jedes dieser Kinder verstarb.
1 Kind kam in der Universitätsklinik Eppendorf zur Welt.
1 Kind kam Krankenhaus Flakturm in Wilhelmsburg zur Welt.
1 Kind kam in Bramfeld zur Welt.
3 Kinder verstarben im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort.

Beispiele:

Zenon Gnot kam am 7.6.1945 in Hamburg zur Welt. Seine Mutter Anna, geb. Struk, geb. am 14.4.1923 in Ssary-Dehowa/ Amt Rohatyn, war griechisch-katholischen Glaubens. Ihre Eltern Catharina Pamykalo, geb.1902, und der Arbeiter Nirethas Struk, geb.1895, stammten ebenfalls aus Ssary und lebten in Stanislau. Aus ihrer Heimat West-Ukraine verschleppt, musste Anna Struk in Lübeck Zwangsarbeit leisten und war im „Einholzlager“ untergebracht. Gemeint war sicher, der im Heiratsregister der Braut Maria, geb. Wasylynka, angegebene Wohnort „Schlutup“, Holzlager, ein ehemaliges Fischerdorf, Stadtteil von Lübeck. In dieser Zeit wurden dort einige Zwangsarbeitslager der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken eingerichtet, wie das Lager Eichholz 2 an der Landstraße Bohlkamp, das mit über 1000 Zwangsarbeiter*innen, Ukrainerinnen, Russen, Italienern und französischen Kriegsgefangenen dort eingerichtet worden war. Es soll sich auch eine Entbindungsanstalt dort befunden haben.
Zenons Vater, Antonius Gnot, geb. am 1.9.1922 in Zaradce / Amt Lemberg-Lan, war ebenfalls griechisch-katholischen Glaubens. Dessen Eltern, Maria, geb. Scelewij, geb. 1889, und der Arbeiter Jenon Gnot, geb. 1888, stammten auch von dort und lebten im Lemberg-Land.
Aus Antonius Gnots Wiedergutmachungsakte geht hervor, dass er nach der Besetzung Lembergs durch deutsche Truppen dort am 20. Oktober 1941 verhaftet wurde, weil er gegen das NS-Regime gearbeitet und der Organizacia Ukrainskoho Naradu (O.N.U.) angehört habe. Im Zuge des Arbeitseinsatzes kam er im November 1941 nach Hamburg-Wilhelmsburg zur Zwangsarbeit als Schlosser für das Motorenwerk Hamburg der Howaldtswerke (M.A.N.). Er war im Lager Neuhoferstraße Nr. 11 (heute Neuhöferstraße) untergebracht. Vermutlich lernten sich Zenons Eltern in dieser Zeit kennen. Am 15. April 1944 konnten sie in Hamburg-Wilhelmsburg heiraten. Eine Genehmigung dazu musste vermutlich vom Standesamt erteilt werden. Der Dreher Emil Kardasz und der Schweißer Markian Got fungierten als Trauzeugen. Die Männer leisteten alle drei Zwangsarbeit bei MAN.
Nach der Heirat kam Anna Gnot nach Hamburg-Wilhelmsburg ebenfalls in das Lager Neuhoferstraße. In der folgenden Zeit wurde sie schwanger.
Nach Anton Gnots Aussagen in der Wiedergutmachungsakte wurde er im September 1944 verhaftet und zuerst ins Gefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel und dann ins Straflager Hamburg-Wilhelmsburg eingeliefert. Mit dem Straflager könnte das „Arbeitserziehungslager“ Langer Morgen gemeint sein.
Nach Kriegsende kam das Ehepaar Gnot in das Lager Bismarckkaserne/Wentorf, Krs. Stormarn, das nach dem Krieg mit Hilfe der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration) für „Displaced Persons“ eingerichtet worden war.
Am 7. Juni 1945 brachte Anna Gnot ihren Sohn Zenon in Hamburg-Bramfeld zur Welt. Er wurde nach seinem Großvater väterlicherseits benannt. Die Ernährungs- und Lebensbedingungen waren für Zenon unzureichend. Er verstarb am 26. Juni 1945 um 18:00 Uhr im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort. Als Todesursache ist in der Sterbefallanzeige des Krankenhauses „schwere Ernährungsstrg“ - „Nabel-Sepsis“ (Nabel-Blutvergiftung) angegeben. Auch ist hier der Vermerk von Krankenschwester L. Hasse nachzulesen, in dem es heißt, dass die Angaben auf Grund: „der Akten No: 1669 gegeben wurden, da weder telephonisch noch mündlich erreichbar.“ 1)

Swiatoslau Got kam am 29.3.1945 in Hamburg zur Welt. Seine Eltern, Sophia Got, geb.Tiut’ko, geb. am 5.4.1910, und Markian Got, geb. am 8.1.1909, stammten beide in der Ukraine und waren griechisch-katholischen Glaubens. Sie hatten am 16. November 1933 in Gaje/Kreis Lemberg/Galizien geheiratet. Aus ihrer Heimat verschleppt, mussten sie in Hamburg-Wilhelmsburg für das Motorenwerk Hamburg der Howaldtswerke (M.A.N.) Zwangsarbeit leisten, Markianus Got als Schweißer. Dort waren ebenfalls Emil Kardasz als Dreher und Antonius Gnot als Schlosser zur Zwangsarbeit eingesetzt. Die Ehepaare waren miteinander befreundet, die Männer fungierten bei der standesamtlichen Heirat des Ehepaares Gnot am 15. April 1944 als Trauzeugen.
Das Ehepaar Got war im Lager Neuhoferstraße Nr. 11 (heute Neuhöferstraße) untergebracht, dort wurde Sophia Got schwanger. Sieben Tage vor der Geburt ihres Kindes wurde sie im Universitätskrankenhaus Eppendorf aufgenommen. Dort brachte sie in einer Spontangeburt am 29. März 1945 um 4:45 Uhr einen „reifen Knaben“ zur Welt. Ein Dammriss wurde vom Arzt Teske genäht. Ihr Sohn Swiatoslau war 50 cm groß und 3210 Gramm schwer, er wurde zugefüttert. Sophia Gots achttägiges Wochenbett verlief fieberfrei und ohne Befund. Nach 15 Tagen wurde sie mit Swiatoslau in das Lager Neuhoferstraße 11 entlassen.
Nach Kriegsende kamen sie gemeinsam in das Lager Bismarckkaserne/Wentorf, Krs. Stormarn, das nach dem Krieg mit Hilfe der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration) für „Displaced Persons“ eingerichtet worden war. Die Ernährungs- und Lebensbedingungen hier waren für Swiatoslau unzureichend.
Am 28. Juli 1945 um 4:25 Uhr verstarb er im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort. Er war 72 cm groß. In der Sterbefallanzeige des Krankenhauses ist als Todesursache „Ernährungsstrg. Lungenentzd.“ angegeben. In diesem Dokument ist von Krankenschwester L. Hasse vermerkt, die Angaben seien auf Grund „der Akte 1680 und nach Angaben des Vaters“ erstattet worden. 2)

Text: Margot Löhr

Quellen:
Zu 1): Standesamt Hamburg-Bramfeld, Geburtsregister G 294/1945, konnte im Standesamtsregister nicht aufgefunden werden; StaH 131-1 II, 517 Listen der in Hamburg während des Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommenen Ausländer. Band 2: Sowjetbürger, Polen, Niederländer und Belgier, S. 78; StaH 131-1 II, 518 Listen der während des Zweiten Weltkrieges in Hamburg verstorbenen und beigesetzten ausländischen Zivilarbeiter, S.124, S. 189; StaH 131-1 II, 2721, Listen der Gräber von im Zweiten Weltkrieg verstorbenen ausländischen Zivilisten auf Hamburger Friedhöfen, S.130; StaH 131-1 II, 2723, Gräber russischer Kriegsgefangener und Ostarbeiter auf Friedhöfen des Hamburger Gebiets, S.147; StaH 332-5 Standesämter, Sterberegister 1241 u. 335/1945 Zenon Gnot; StaH 332-5 Sterbefallsammelakten, 64395 u. 335/1945 Zenon Gnot; StaH 332-8, A 48 Alphabetische Meldekartei der Ausländer 1939-1945; StaH 351-11 Amt für Wiedergutmachung, 45032 Anton Gnot; 741-4 Fotoarchiv, K 4595, 351-11, 45032 Anton Gnot; www.dwm-schlutup.de/bilder.htm, eingesehen 7.5.2019.
Zu 2): Standesamt Hamburg- Eppendorf, Geburtsregister 692 / 1945 Got; Geburtenbuch 1945 Universitätsklinik Eppendorf, Nr.1985/27255; StaH 332-5 Standesämter, Sterberegister 1241 u. 410/1945 Swiatostaw Got; StaH 332-5 Sterbefallsammelakten, 64395 u. 410/1945 Swiatostaw Got; Standesamt Hamburg 8a, Heiratsregister 211/1943 Wasylynka/Kardasz; ITS Archives, Bad Arolsen, Copy of Geburtsurkude 2.2.2.3 / 76959529 Swiatoslau Got.
 

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Von Hamburger NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Zuschauer/innen ... Eine Hamburg Topografie.

NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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