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Heinrich Behnken

(25.12.1880 Ahlerstedt, Kreis Stade - 1.12.1960)
Schulleiter der Schule Tornquiststraße , Schriftsteller der niederdeutschen Sprache, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Niederdeutsch des NSLB
Eppendorfer Weg 185 (Wohnadresse bis 1943)

Dr. Hans-Peter de Lorent hat über Heinrich Behnken ein Portrait verfasst, das in Hans-Peter de Lorents Buch: Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz. Band. 3. Hamburg 2019 erschienen und im Infoladen der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg erhältlich ist. Hier der Text: 
„Wenn es wahr ist, dass der Mensch seine besten Kräfte zieht aus dem Blut, das von den Voreltern her in ihm pulst, ersteht für alle verantwortungsbewussten Männer die ernste Aufgabe, dafür zu arbeiten, dass dies Volkstum gesund bleibe und sich von fremden Schlacken säubere.“
Anfällig für den Nationalsozialismus waren viele Schriftsteller, die die niederdeutsche Sprache pflegen wollten und für die der Begriff Heimat eine neue Bedeutung bekam. Zu diesen Personen zählte auch der Hamburger Lehrer und Schulleiter Heinrich Behnken, der unzählige Lustspiele, Komödien, Hörspiele und Erzählungen geschrieben hatte und 1933 Leiter der Arbeitsgemeinschaft Niederdeutsch im Hamburger NSLB wurde. In der „Vereinigung Niederdeutsches Hamburg“, deren erster Vorsitzender der nationalsozialistische Senator Wilhelm von Allwörden war, spielte Heinrich Behnken eine führende Rolle. Nachdem seine Wohnung im Eppendorfer Weg 185 von einem Bombentreffer völlig zerstört worden war, mitsamt seiner zahlreichen Manuskripte und Bücher und am selben Tag, dem 25.7.1943, auch die von ihm geleitete Schule in der Tornquiststraße in Schutt und Asche gelegt wurde, beauftragte ihn die Schulverwaltung und das Reichspropagandaamt Hamburg, vor evakuierten Hamburgern außerhalb der Stadt Vorträge zu halten, um diese auf die Wohnungs- und Schulnot in der Stadt hinzuweisen und vor einer Rückkehr zu warnen.
Im späteren Entnazifizierungsverfahren bescheinigten ihm unzweifelhafte Nazi-Gegner, stets eine demokratische Grundhaltung bewahrt zu haben.
Heinrich Behnken wurde am 25.12.1880 in Ahlerstedt, Kreis Stade geboren. Er besuchte die dortige Volksschule, die von seinem Vater, Lütje Behnken, geleitet wurde und danach die Volksschule in Sittensen. 1895 wechselte er an die Präparande in Rotenburg, um ab 1897 das Seminar in Stade zu besuchen[1], „unseligen Andenkens“, wie er später selbst notierte.[2]
Heinrich Behnken legte am 1.10.1900 die erste Lehrerprüfung ab und wechselte zum 1.4.1904 nach Hamburg. Vorher hatte er noch die zweite Lehrerprüfung am 6.11.1903 bestanden. Während des Krieges wurde Behnken am 30.11.1915 zum Landsturm eingezogen, nach der Novemberrevolution wählte die Versammlung des Lehrkörpers der Schule Tornquiststraße 19 und der Vertreter des Elternrates Heinrich Behnken zum Schulleiter. Dies blieb er während der Weimarer Republik und auch nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten bestätigte ihn der neue Schulsenator Karl Witt am 11.7.1933 weiter als Schulleiter dieser Schule.[3]
Heinrich Behnken war ein bekannter niederdeutscher Schriftsteller, parallel zu seiner Arbeit als Schulleiter. Im Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) übernahm er die Leitung der Arbeitsgemeinschaft Niederdeutsch und wurde damit gleichzeitig Gausachberater. Obwohl er 1933 nicht in die NSDAP eingetreten war, fand er auch die Wertschätzung aktiver Nationalsozialisten. So schrieb der Schulungsverantwortliche im NSLB Hamburg in einem Gutachten für die Reichsleitung der NSDAP, Hauptamt für Erzieher, Begutachtungsstelle:
„Heinrich Behnken ist auf dem Gebiete des Niederdeutschen als Fachmann bekannt. Als Gutachter ist er sehr zu empfehlen.“[4]
Behnken hatte 1933 mit dem aktiven Nationalsozialisten Bruno Peyn, der langjähriger Oberlehrer an der Oberrealschule in der Bogenstraße gewesen und 1933 zum Oberstudiendirektor ernannt worden war, parallel dazu Referent des niederdeutschen Kulturamtes im Kampfbund, Dramaturg an der Hamburger Bühne und Autor vieler niederdeutscher Stücke[5], die Vereinigung Niederdeutsches Hamburg gegründet.[6]
Am 10.10.1935 berichteten alle Hamburger Tageszeitungen gleichlautend von der Versammlung in der Landesunterrichtsbehörde und den dort getroffenen Beschlüssen:
„In der Erkenntnis, dass die an sich vortreffliche Arbeit mancher Vereine auf diesem Gebiet in ihrer Vereinzelung der durchdringenden Stoßkraft entbehren muss, sollen alle niederdeutschen Bestrebungen Hamburgs in der Vereinigung ‚Niederdeutsches Hamburg‘ zusammengefasst werden. Den Vorsitz wird Herr Senator von Allwörden übernehmen, den Ehrenvorsitz Herr Regierender Bürgermeister C. V. Krogmann. Mit der vorläufigen Geschäftsführung wurde Herr Heinrich Behnken, Gausachbearbeiter für Niederdeutsch im N. S. Lehrerbund beauftragt.“[7]
Heinrich Behnken war damit eng verbunden mit wichtigen nationalsozialistischen Politikern in Hamburg, insbesondere mit Wilhelm von Allwörden, der über Jahre auch die Verantwortung für den Kultur- und Schulbereich als Senator hatte. Behnken organisierte Veranstaltungen und Tagungen, schrieb weiter niederdeutsche Stücke, aber auch Abhandlungen wie: „Wesen und Aufgaben des niederdeutschen Menschen in Stadt und Land“, Band 2 einer Schriftenreihe der „Vereinigung Niederdeutsches Hamburg“.[8]
Es war ein Netzwerk gegründet worden, in dem nationalsozialistische Politiker und Schriftsteller arbeiteten. Kay Dohnke, der die Verhaltensweisen niederdeutscher Schriftsteller beforscht hat, schrieb dazu:
„Plattdeutsche Schriftsteller in öffentlichen politischen Ämtern: der Effekt auf die niederdeutsche Szene dürfte von nicht geringer Bedeutung gewesen sein, befanden sich doch nunmehr Angehörige der eigenen Gruppe in Schlüsselpositionen des sich neu strukturierenden politisch-kulturellen Netzwerkes, von denen durchaus integrative Wirkung ausgehen könnte. Zugleich war es ihnen – wenn vielleicht nur in geringerem Maß – möglich, Einfluss auf die Neuformierung des literarischen Betriebes zu nehmen; persönliche Beziehungen werden auch hier von Gewicht gewesen sein und verschleierten wahrscheinlich aufgrund einer vertrauten Situation teilweise die politischen Dimensionen. Jedenfalls ist anzunehmen, dass man auf niederdeutscher Seite glaubte, nun sei das eigene Anliegen optimal betreut – und der politische Apparat hatte zweifellos die Amtsübernahme nur bei solchen Personen akzeptiert, die nationalsozialistische Grundsätze auch in der potentiell separatismusverdächtigen regionalen Kulturszene verlässlich durchsetzen würden.“[9]
Heinrich Behnken bekannte sich zur niederdeutschen Kultur, direkte Bekenntnisse zum Nationalsozialismus findet man bei ihm nicht.
Als er seinen 60. Geburtstag feierte, würdigte ihn das „Hamburger Fremdenblatt“ am 24.12.1940. Bevor alle seine Werke aufgezählt wurden, hieß es:
„Morgen, am ersten Weihnachtstag, vollendet der niederdeutsche Schriftsteller Heinrich Behnken das 60. Lebensjahr. Wenn er an diesem immerhin bemerkenswerten Einschnitt seines irdischen Daseins Rückschau hält, darf er mit dem Geleisteten wohl zufrieden sein. Denn Dichter ist er doch, wie die meisten heute unter den Schreibenden, sozusagen nur im Nebenamt – eine erfreuliche Sache übrigens in der gegenwärtigen Literatur, weil auf diese Weise dafür gesorgt ist, dass der Schriftsteller, gerade auch als Geistesmensch, nicht im Leeren schwebt. Behnken im Besonderen ist, wie so viele unter den plattdeutschen Musensöhnen, von Haus aus Lehrer; seit 1904 lebt er in Hamburg.“[10]
In einem Vortrag über „Wesen und Aufgaben des niederdeutschen Menschen in Stadt und Land“, den er 1936 vor der „Vereinigung Niederdeutsches Hamburg“ gehalten hatte, versuchte Behnken den Zuhörern „die gegensätzlichen Sozialisationsweisen auf dem Dorf und in der Großstadt plastisch vor Augen zu führen. Fern von einseitiger Parteinahme erkannte er in dieser Polarität das ‚bewegende‘ und das ‚beharrende‘ Prinzip, zwischen denen er zu vermitteln suchte. Seine Bemühungen als Schriftsteller und Pädagoge, der der Kunsterziehungsbewegung nahe stand, galten einer natürlichen Erziehung mitten im ‚Jammer großstädtischer Häuslichkeit‘, einer Heimatspflege von der Großstadt aus sowie der Pflege der niederdeutschen Sprache auch im hochdeutschen Umfeld.“[11]
In der „Hamburger Lehrerzeitung“ unterm Hakenkreuz veröffentlichte Heinrich Behnken den Hauptartikel in der Nummer 38/39–1936, in der er über die Vereinigung Niederdeutsches Hamburg und den NS-Lehrerbund schrieb. Darin arbeitete er gut heraus, wie bedauerlich die Abkehr von der niederdeutschen Sprache ist, weil diese häufig als Zeichen von Unbildung angesehen werde:
„Noch steht das wurzelechte Volkstum, nach den alten Stämmen natürlich gegliedert, überall fest in den deutschen Landen; wir wissen aber, wie sehr die vergangenen Jahrzehnte mit ihrem riesigen Wachstum der Großstädte unter der ungeheuren Entwicklung einer rein äußerlichen Zivilisation an ihm gezerrt haben, um es in seinen Wurzeln zu lockern. Das ist aber nirgendwo ärger geschehen als in Niederdeutschland. Nirgendwo sonst klaffte so tief der verderbliche Riß zwischen den ‚Gebildeten‘ und dem ,ungebildeten Volk‘ wie hier, wo er durch die Zweisprachigkeit der Bevölkerung wesentlich verbreitert wurde. Nirgendwo sonst hat sich der lächerliche Dünkel der Halbgebildeten und leider auch oftmals die Verständnislosigkeit der Gebildeten so schwer an der schlichten heimischen Art versündigt wie bei uns, dadurch, dass sie mit Geringschätzung herabsahen auf den plattdeutschen Menschen. Und dieser ließ sich vielfach, einer alten deutschen Schwachheit gemäß, von ihrer sicheren Überheblichkeit einschüchtern und begann wohl gar selber, seine einfache Eigenart gering zu achten. Fing er nicht an, sich seiner schönen, alten Muttersprache zu schämen und mit seinen Kindern lieber ein schlechtes Hochdeutsch zu sprechen, das ihm gar nicht zu Gesicht stand, als sein altes klangvolles Plattdeutsch, das ihm ganz vertraut war?“[12]
In welcher Nähe zu einem Teil der nationalsozialistischen Ideologie sich die Vereinigung Niederdeutsches Hamburg bewegte, verdeutlichte Behnken in seiner Einleitung:
„Nie sind Abstammung und Rasse so wichtig erschienen wie in unseren Tagen; nie ist ihre Bedeutung für das Wesen und die Haltung des einzelnen Menschen sowohl wie eines ganzen Volkes so klar erkannt worden wie im heutigen Deutschland; nie ist darum auch dem heimatlichen, stammesmäßig betonten Volkstum eine solche Aufmerksamkeit geschenkt worden, wie wir es heute zu tun verpflichtet sind. Denn wenn es wahr ist, dass der Mensch seine besten Kräfte zieht aus dem Blut, das von den Voreltern her in ihm pulst und aus dem Boden, aus dem es erwachsen ist – und wer wollte heute noch daran zweifeln? –, so gewinnt das heimische Volkstum, der erste geistige Nährboden aller Menschen, eine überragende Bedeutung, und es ersteht für alle verantwortungsbewussten Männer die ernste Aufgabe, dafür zu arbeiten, dass dies Volkstum gesund bleibe, dass es sich von fremden Schlacken säubere und sich in seiner kräftigen Eigenart rein erhalte.“[13]
Hier zeigte sich eine ideologische Nähe der Heimatforscher zu den Nationalsozialisten, die ich in anderen Texten Heinrich Behnkens nicht gefunden habe.
1936 erhielt er vier Pflichtstunden Ermäßigung für seine Arbeit in der Vereinigung Niederdeutsches Hamburg.[14] Erster Vorsitzender der Vereinigung war zu diesem Zeitpunkt der Senator für den Kultur- und Schulbereich, Wilhelm von Allwörden.[15] Heinrich Behnken hatte dazu ein Schreiben an die Landesunterrichtsbehörde gerichtet:
„Herr Senator von Allwörden hat den Wunsch ausgesprochen, dass ich im kommenden Sommerhalbjahr an zwei Wochentagen für die Vereinigung Niederdeutsches Hamburg in der Behörde für Volkstum, Kirche und Kunst arbeiten soll. Er hat mich angewiesen, die nötige Stundenermäßigung bei der Landesunterrichtsbehörde zu beantragen.[16]
1936 wurde er zum Mittelschullehrer befördert und zum 1.5.1937, als die NSDAP wieder Lehrer und Beamte aufnahm, trat Heinrich Banken in die NSDAP ein. Carsten Scholz schrieb dazu in der Hamburgischen Biografie:
„Im ‚Dritten Reich‘ passte er sich formal den Umständen an und trat am 1. Mai 1937 in die NSDAP ein, um sein Rektoramt nicht zu verlieren. Zugleich bemühte er sich offenbar, seine Schule nach innen frei von nationalsozialistischer Agitation und von Diffamierungen zu halten, wie Aussagen Betroffener bestätigen.“[17]
Ein schwerer Schicksalstag für Heinrich Behnken war der 25.7.1943. Behnken war als Schulleiter der Knaben-Volksschule Tornquiststraße 19 persönlich als Brandwache eingeteilt worden und erlebte bei dem Bombenangriff auf Hamburg mit, wie seine Schule in Schutt und Asche gelegt wurde. Am selben Tag wurde auch die Wohnung von Heinrich Behnken und seiner Frau am Eppendorfer Weg 185 von einem Bombentreffer zerstört, wobei die gesamte Habe einschließlich zahlreicher Manuskripte und Bücher vernichtet wurde.[18]
Heinrich Behnken und seine Frau mussten in Notunterkünften untergebracht werden und da kein Schulbetrieb möglich war, reiste Heinrich Behnken in den letzten Kriegsjahren zu evakuierten Schulklassen und Buten-Hamborgern, also außerhalb der Stadt untergebrachten Hamburgern. In Vorträgen schilderte er „die trostlosen Wohn- und Schulverhältnisse in Hamburg, warnte vor der Rückkehr in die Stadt und las Heimatliches aus seinen Werken.“[19]
Das Reichspropagandaamt Hamburg, untergebracht am Harvesterhuder Weg 23, schrieb an den vormals dort tätigen und jetzt als Leiter der Schulverwaltung agierenden Prof. Ernst Schrewe[20]:
„Wie Ihnen bekannt ist, wird der Lehrer und Schulleiter Heinrich Behnken seit der Zeit der Terrorangriffe im Sommer 1943 in großem Umfang zur geistigen Betreuung der Buten-Hamborger eingesetzt. Herr Behnken hat in seiner Arbeit gute Erfolge und es hat sich bisher niemand gefunden, der so wie er, diese besondere Aufgabe erledigt. Ich möchte darum bitten, Herrn Behnken auch weiterhin die Möglichkeit zu geben, diese Arbeit fortzusetzen.“[21]
Von Fritz Köhne erhielt Behnken eine Bescheinigung, in der ihm bestätigt wurde, dass er vom Reichspropagandaamt beauftragt sei, „den Hamburgern, die durch das Kriegschicksal ihrer Vaterstadt nach anderen deutschen Gauen und Orten verschlagen worden sind, von ihrer Heimat zu erzählen. Da der Schulverwaltung Hamburg bekannt ist, dass Herr Heinrich Behnken als Erzähler mit dem gleichen Erfolg zu Hamburger Schülern – Jungen oder Mädchen – spricht, bittet sie die Schulämter und Schulleitungen in den Aufnahmegauen, ihm dazu Gelegenheit zu geben.“[22]
Da Heinrich Behnken in Hamburg keine Unterkunft mehr hatte und die Hamburger Kinder aus der Kinderlandverschickung wieder zurückgekehrt waren, verschlug es Behnken und seine Frau im Dezember 1944 in die unmittelbare Nachbarschaft seines Geburtsortes, nach Oersdorf, wo er eine einklassige Dorfschule mit 80 Kindern übernahm. Am 5.1.1945 erfolgte seine Abordnung dorthin aus dem Hamburger Schuldienst.[23]
Heinrich Behnken erlebte dort das Ende des Krieges und des Nationalsozialismus, musste aber in Hamburg einen Entnazifizierungsfragebogen ausfüllen, was er am 30.8.1945 tat.[24]
Heinrich Behnken war durch seine Gau-Sachbearbeiter-Tätigkeit und Verantwortlichkeit im NSLB formal durchaus belastet und die Britische Militärregierung musste von seiner Unschuld und demokratischen Glaubwürdigkeit erst überzeugt werden.
Dem Entnazifizierungsausschuss gehörten die unbestechlichen NS-Gegner Gustav Schmidt, der von den Nationalsozialisten als Schulrat suspendiert worden war, weil er sich geweigert hatte, in die NSDAP einzutreten, und Friedrich Wilhelm Licht an, der von den Nazis als Schulleiter abgesetzt worden war. Beide bezeugten im Ausschuss, dass Heinrich Behnken ein vertrauenswürdiger Demokrat gewesen sei und auch nach 1933 seine Überzeugung nicht gewechselt habe. „Seine demokratische Haltung und sein Charakter stand völlig im Gegensatz zum Nationalsozialismus.“[25]
Und die Leitungsaufgabe im NSLB („Leader of the Syndicate for Low German in the NSLB“) beschrieben sie als eine Aufgabe, die Heinrich Behnken schon in den Jahren zuvor innegehabt habe und für die er in dem Bereich die führende Persönlichkeit gewesen sei. Er habe in dieser Funktion niemals nationalsozialistische Propaganda betrieben, was Friedrich Wilhelm Licht aus der Nähe habe beobachten können. Der Ausschuss war davon überzeugt, dass eine Wiedereinstellung ohne jegliche Einschränkung befürwortet werden könne.
Heinrich Behnken selbst hatte mit einer negativen Entscheidung auch gar nicht gerechnet. Am 30.8.1945 schrieb er der Schulverwaltung, er habe bei einem kürzlichen Besuch in Hamburg gerade erfahren, pensioniert werden zu sollen. Er führte einige Gründe an, warum er auf jeden Fall noch weiterhin im Schuldienst bleiben wollte, Argumente, die auch seine damalige Lebenssituation beleuchteten:
„1. Ich fühle mich körperlich und geistig noch frisch genug, um den Dienst zu versehen, habe auch bis zur Unterbrechung des Unterrichts im April des Jahres die hiesige einklassige Schule, die damals 74 Kinder umfasste, ohne Schwierigkeiten leiten können.
2. Bei Wiederaufnahme des Unterrichts in der nächsten Woche wird die Schülerzahl 82 betragen. Unter den 40 ortsfremden Kindern befinden sich außer vielen Ostflüchtlingen noch eine erhebliche Anzahl Hamburger Kinder; die haben in den letzten zwei Jahren sechs verschiedene Lehrer gehabt. Ein nochmaliger Lehrerwechsel wäre für sie sicherlich nicht wünschenswert; es würde von den Eltern gewiss begrüßt werden, wenn meine hiesige Gastlehrerschaft noch bestehen bliebe.
3. Ich bin in Hamburg total bombengeschädigt und habe dort keine Wohnung. Hier habe ich eine Dienstwohnung von zwei Zimmern, die ich räumen müsste, wenn ein anderer Lehrer hierher käme. Ich würde dann mit meiner Frau im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße liegen; denn sowohl Oersdorf wie alle Dörfer der Umgegend sind dermaßen mit Flüchtlingen belegt, dass nicht ein einziges Zimmer frei ist.
4. Mein Sohn hat nach siebeneinhalb Jahren Wehrmachtsdienst noch sein ganzes Universitätsstudium vor sich. Er ist verheiratet und hat zwei kleine Kinder. Ich muss für die nächsten Jahre für den Unterhalt der Familie und für die Studiumskosten aufkommen; denn die Ersparnisse meines Sohnes liegen in einer Sparkasse der Mark Brandenburg, der Heimat seiner Frau, und müssen vermutlich als verloren betrachtet werden.
5. Verloren ist auch sein übriges Hab und Gut, das auf dem Transport von Magdeburg nach Hamburg samt dem Frachtkahn verloren gegangen ist. Die Familie hat nun kaum das Allernotwendigste an Wäsche und Kleidung. Ich selbst habe seinerzeit in Hamburg nicht das kleinste Stück von meinem Hausrat retten können und bin noch jetzt gänzlich ohne Möbel und ohne Bücher, muss aber doch, wenn jetzt die Möglichkeit dazu wieder besteht, das Notwendigste an diesen Dingen beschaffen.
6. Den aus all diesen Bedingtheiten erwachsenden finanziellen Anforderungen würde ich natürlich mit dem vollen Gehalt eher gewachsen sein, als mit dem Ruhegehalt. Ich bitte daher die Schulverwaltung, noch über das 65. Lebensjahr hinaus im Dienst bleiben zu dürfen, wenn dadurch nicht einem anderen, der in größerer Not ist, der Weg zur Anstellung versperrt wird.“[26]
Offenbar sah die Britische Militärregierung noch Klärungsbedarf in Bezug auf die von Heinrich Behnken verfassten Stücke und seine Vorträge in den letzten Kriegsjahren, immerhin im Auftrag des Reichspropagandaamtes.
Behnken antwortete am 31.10.1945 und listete seine Veröffentlichungen in verschiedenen Verlagen auf und seine Vorträge, zu denen er feststellte:
„Sie waren alle heimatbestimmt, betonen den niederdeutschen Charakter unserer Vaterstadt und hatten mit Politik nicht das Geringste zu tun.“[27]
Sicherlich war ihm bewusst, dass es ungünstig wäre, das Reichspropagandaamt als Auftraggeber für die Vorträge zu nennen, die er nach seiner „Ausbombung in Hamburg“ hielt. Er schrieb, er habe „im Auftrag der Stadt Reisen zu den evakuierten Hamburgern gemacht, um sie von den Hamburger Verhältnissen zu unterrichten, ihnen besonders die Wohnungs- und Schulnot unserer Stadt zu schildern und sie zu überreden, vorläufig nicht an eine Rückkehr nach Hamburg zu denken und dadurch die Wohnungsnot vermehren zu helfen. Anschließend an meinen Vortrag erzählte ich ihnen plattdeutsche Geschichten aus meinen Büchern. Das Ganze war durchaus als ein Heimatsabend aufgezogen und hatte mit Politik oder gar mit Parteipolitik nicht das Geringste zu tun. Aus diesem Grunde war ich wohl auch nicht verpflichtet, im Fragebogen näher auf sie einzugehen.“[28]
Die Interpretation dieser Tätigkeit war bei der Britischen Militärregierung möglicherweise eine andere gewesen. Heinrich Behnken war ausgesandt worden, nach der Bombardierung Hamburgs durch alliierte Militärflugzeuge vor evakuierten Hamburgern Vorträge zu halten, die damit im Zusammenhang hätten stehen können.
Schließlich wurde Heinrich Behnken am 15.12.1945 von Schulsenator Heinrich Landahl darüber informiert, dass er „aufgrund des Gesetzes Nr. 6 und auf Anordnung der Militärregierung mit sofortiger Wirkung aus dem Beamtenverhältnis suspendiert“ sei.[29]
Nun wurde Heinrich Behnken noch einmal aktiv und die Gemeinde Oersdorf und der Regierungspräsident Stade bemühten sich darum, Behnken als Lehrer zu behalten. Behnken konnte einige Leumundszeugnisse einreichen. So etwa von einer jüdischen Mutter, die von den Nazis im Konzentrationslager Theresienstadt interniert worden und erst am 1.7.1945 freigekommen war. Sie hatte drei Kinder in der Schule von Heinrich Behnken gehabt und mit diesem ausschließlich positive Erfahrungen gemacht: „Unter uns nannten wir stets diese Schule, deren Rektor Herr Behnken seit 1919 war, die SPD-Schule. Herr Behnken war bei Eltern und Kindern gleicherweise beliebt und aufs höchste geachtet. Wenn er ein Nazi gewesen wäre, würde er sich sicher anders gegen uns benommen haben“, schrieb Henny Knickrehm, geb. Lewy.[30]
Von politisch größter Bedeutung war sicherlich das Schreiben von Gerd Niebank, der von 1926 bis 1928 Proponent (Vorsitzender) der „Gesellschaft der Freunde“ gewesen war und der Heinrich Behnken als ausgezeichneten Lehrer und „als einen unserer hervorragendsten Schriftsteller und als einen liebenswürdigen Menschen“ bezeichnete, „der jederzeit bereit ist, anderen zu helfen“. „Als Proponent der ‚Gesellschaft der Freunde‘ konnte ich jederzeit auf den guten Rat und energischen Beistand von Heinrich Behnken zählen. Der Nationalsozialismus war seiner ganzen Natur entgegengesetzt. Er hatte eine Abneigung gegen das ganze Verhalten der Nazis. Wenn er im Gegensatz hierzu seine Fähigkeiten auch unter ihrer Herrschaft zur Verfügung stellte, so tat er es nur, um in der Lage zu sein, das Beste vom Geist des niederdeutschen Lebens zu retten und zu erhalten. Kurz: Heinrich Behnken hat außerordentliche Fähigkeiten für die friedliche Organisation dieses Landes, besonders für die Organisation unserer Schulen mit besonderer Berücksichtigung der Lage der ländlichen Bevölkerung, deren Lebensweise und Meinungen er von Grund auf kennt.“[31]
Gerd Niebank war seit 1918 Mitglied der SPD gewesen und wie alle anderen Vorsitzenden der „Gesellschaft der Freunde“ auch nie der NSDAP beigetreten. Ebenso wie Richard Ballerstaedt, langjähriger SPD-Bürgerschaftsabgeordneter und ein unerbittlicher Gegner der Nationalsozialisten, von dem ich bisher kein Leumundszeugnis gelesen hatte. Er schrieb am 7.1.1946 handschriftlich:
„Da ich im März 1933 von den Nationalsozialisten aus politischen Gründen meiner bisherigen Tätigkeit beraubt und in meinem Einkommen erheblich beeinträchtigt wurde, weder der nationalsozialistischen Partei noch einer ihrer Gliederungen oder Organisationen beitrat, sogar wegen meiner Nichtbefolgung der ergangenen Aufforderung zur Hausbeflaggung denunziert wurde, glaube ich hinsichtlich der Beurteilung der nationalsozialistischen Einstellung meiner Umgebung und etwaiger ,Tarnung‘ sehr hellhörig geworden zu sein. Aufgrund meiner sich über drei Jahrzehnte hinaus erstreckenden Kenntnis will es mir undenkbar erscheinen, dass er seiner zuverlässigen demokratischen Einstellung untreu wurde und sich von den verbrecherischen Irrlehren des Nationalsozialismus umgarnen und einfangen ließ, bin vielmehr von der unbedingten Glaubwürdigkeit seiner Erklärung überzeugt, dass er 1937 der nationalsozialistischen Partei lediglich aus dem Grunde beitrat, sich die Erhaltung seiner Amtsstellung zu sichern.“[32]
Richard Ballerstaedt räumte dabei ein, ihn seit Februar 1941 lediglich einmal gesehen und gesprochen zu haben und über seine Vortragsreisen keine Aussage machen zu können.
Insbesondere die beiden Leumundszeugnisse von Gerd Niebank und Richard Ballerstaedt, die als Nazigegner und untadelige Sozialdemokraten auch bei der Britischen Militärregierung hoch anerkannt waren, führten dazu, dass die Suspendierung aus dem Beamtenverhältnis von Heinrich Behnken durch die Militärregierung mit Anordnung vom 13.6.1946 wieder aufgehoben und Behnken in seinem Amt bestätigt wurde. Dies teilte Fritz Köhne ihm am 21.6.1946 mit.[33]
In Oersdorf hatte sich Heinrich Behnken verdient gemacht. Der Bürgermeister bescheinigte ihm am 4.9.1945, dass er seit April des Jahres dauernd in der Gemeindeverwaltung gearbeitet habe, „einen Teil der schriftlichen Arbeiten des Bürgermeisters und alle Arbeiten für die Ortsbauernschaft erledigt habe. Er hat sich sehr für die Bekämpfung des Kartoffelkäfers und für die Tee- und Heilkräutersammlung eingesetzt. Bei gutem Wetter hat er Schwimmunterricht erteilt, und seit Monaten gibt er musikalisch begabten Kindern unentgeltlich Unterricht auf dem Harmonium.“[34]
Als Heinrich Behnken im Jahr darauf pensioniert werden sollte, schrieb der Bürgermeister der Gemeinde Oersdorf einen Brief an die Hamburger Schulverwaltung:
„Wir haben erfahren, dass unser Hamburger Klassenlehrer, Herr Heinrich Behnken, von Hamburg pensioniert werden soll. Wir haben uns daraufhin an das Schulamt in Stade gewandt mit der Bitte, Herrn Behnken als Lehrer in unseren Kreis zu übernehmen, haben dort aber den Bescheid erhalten, dass im Land Niedersachsen zur Zeit jeder Lehrer pensioniert werden muss, der die Altersgrenze erreicht hat, weil vorläufig noch nicht alle Flüchtlingslehrer eine Anstellung erhalten haben, und dass Herr Behnken nur unser Lehrer bleiben kann, wenn Hamburg ihn noch im Amt bleiben lässt. Nun wünscht aber die ganze Gemeinde Oersdorf, Haus bei Haus, Einheimische und Flüchtlinge ohne Unterschied, dass Herr Behnken noch unser Lehrer bleibt; denn er besitzt das Vertrauen der ganzen Gemeinde. Wir richten daher die dringende Bitte an die Schulverwaltung Hamburg, ihn noch eine Weile im Amte zu lassen, damit er weiterhin unsere Kinder lehren kann. Wir würden der Schulverwaltung Hamburg sehr dankbar sein, wenn sie uns diese Bitte erfüllen könnte.“[35]
Ein großer Vertrauensbeweis, aber zu viel verlangt von Hamburg, das selbst mit seinen Lehrerstellen haushalten musste. So antwortete Oberschulrat Fritz Köhne:
„Wir schätzen Herrn Behnken ebenso wie die Gemeinde Oersdorf es tut; es liegt aber für Hamburg kein schulisches Interesse vor, weiterhin ein Direktorengehalt für die Schulstelle in Oersdorf zu zahlen. Persönliche Wertschätzung und Freundschaft können an diesem Rechenexempel nichts ändern.“[36]
Köhne ergänzte, dass er sich in dieser Sache an den niedersächsischen Kultusminister Grimme gewandt und diesen gebeten hätte, Heinrich Behnken nach der Versetzung in den Ruhestand durch die Hamburger Schulverwaltung in Oersdorf weiter als Lehrer zu beschäftigen.[37]
Am 31.7.1947 wurde Heinrich Behnken mit der Pension eines Rektors in den Ruhestand gesetzt. Kurt Zeidler vermerkte für den Fachausschuss für die Entnazifizierungsverfahren: „Politisch unbedenklich. Die Akte enthält nichts Belastendes.“[38]
Die soziale Lage für Heinrich Behnken blieb weiterhin schwierig. Er wies darauf hin, dass er in den Bombenangriffen auf Hamburg 1943 sein gesamtes Hab und Gut, sämtliche Möbel verloren hatte und sich in der Zeit in Oersdorf mit geliehenen Möbeln in der Dienstwohnung der Schule beholfen hatte, die jetzt nicht mehr zur Verfügung standen. Außerdem müsste er seinen nach siebeneinhalb Jahren Arbeitsdienst und Wehrmacht zurückgekehrten Sohn, der jetzt in Hamburg Jura studierte, mit dessen vierköpfiger Familie unterstützen. Jetzt beklagte sich Heinrich Behnken darüber, dass er von der Erhöhung des Ruhegehalts ausgeschlossen worden sei, „weil ich einmal für kurze Zeit vom Amte suspendiert worden sei“.[39]
Heinrich Behnken war nachhaltig verbittert über diese Entscheidung und vermutete, dass die Britische Militärregierung dieses verfügt hätte, weil er in seinem Fragebogen geschrieben hatte, er sei „Sachbearbeitungsleiter für Niederdeutsch im NSLB gewesen“.[40]
Dazu bemerkte er jetzt:
„Zu diesem Posten war ich von der damaligen Schulbehörde gedrängt worden, und ich hätte alle meine bisherigen Anstrengungen verleugnet, wenn ich ihn nicht angenommen hätte; denn die Erhaltung und Pflege der niederdeutschen Sprache und Literatur und des niederdeutschen Volkstums lag mir von jeher am Herzen, und ich hatte seit Jahrzehnten dafür gearbeitet. Die Militärregierung hatte natürlich keine Ahnung davon, dass unsere Arbeit mit Politik nichts zu tun hatte, geschweige denn mit Parteipolitik. In Gegenteil: die ganze niederdeutsche Bewegung wurde von dem Propagandaministerium mit großem Argwohn beobachtet; ihr wurde ‚Kulturseparatismus‘ vorgeworfen, und sie wurde soviel wie möglich behindert; es wurde zum Beispiel der Presse verboten, Veröffentlichungen in plattdeutscher Sprache zu bringen. Unsere Arbeit im NSLB bestand darin, dass wir eine plattdeutsche Fibel herausgaben, ein ebensolches Lesebüchlein zusammenstellten, Fortbildungskurse für die hamburgische Lehrerschaft im Plattdeutschen abhielten. Das war der Militärregierung natürlich nicht bekannt. Sie war vermutlich einfach über die Bezeichnung ‚Sachbearbeitungsleiter‘ im Fragebogen gestolpert und hatte danach ihre Entscheidung getroffen.“[41]
Ich glaube, dass Heinrich Behnken es sich mit dieser Erklärung zu einfach machte. Möglicherweise hatte die Britische Militärregierung auch festgestellt, dass der Geschäftsführer der Vereinigung Niederdeutsches Hamburg, Heinrich Behnken, durch diese Tätigkeit im engen Kontakt mit dem NS-Senator Wilhelm von Allwörden und anderen NS-Größen stand und sicherlich war auch bekannt gewesen, dass seine Vortragsreisen im Auftrag des Propagandaamtes in Hamburg stattfanden. Ohne Kenntnis des Charakters und der politischen Grundhaltung Behnkens vor 1933, hatte dieser sich formal mit den Nationalsozialisten eingelassen, auch wenn er 1933 noch nicht Mitglied der NSDAP geworden war. Somit gab es formale Gründe für die Britische Militärregierung, die nachvollziehbar zu dieser Entscheidung führten.
Heinrich Behnken stellte in seinem Schreiben auch noch einmal fest:
Als die Entscheidung der Militärregierung bekannt wurde, „da war, wie mir der damalige Oberschulrat, Herr Köhne, sagte, das Schulratskollegium und auch der Senator Landahl peinlich überrascht. Herr Köhne versicherte mir, dass er selbst, dazu auch die Herren Schulräte Schmidt (verantwortlich für die Entnazifizierung) und Wommelsdorff (mein Bezirksschulrat) alles tun würden, um die ungerechte Entscheidung rückgängig zu machen. Mein früherer Lehrkörper trat wie ein Mann für mich ein; die Schulelternschaft schloss sich an, und alle erklärten auf das entschiedenste, dass ich mich niemals parteipolitisch betätigt oder gar versucht hatte, die Schularbeit in nationalsozialistischem Sinne zu beeinflussen.“[42]
Die Hamburger Schulbehörde setzte sich dafür ein, dass Heinrich Behnken für die Kriegssachschäden vom „Ausgleichsamt Lokstedt“, insbesondere für seine verloren gegangene Bibliothek eine Entschädigungszahlung bekam.[43]
Heinrich Behnken blieb auch als Pensionär schriftstellerisch tätig und erhielt für seinen 1955 erschienenen Roman „Lütje Micheels, de Schoolmester“, ein Dorfschulmeister-Roman, „der über weite Strecken die Lebensgeschichte des Vaters spiegelte“44, den erstmals vergebenen Fritz-Reuter-Preis der Stiftung F. V. S.[45]
Heinrich Behnken starb am 1.12.1960.[46]
Schulsenator Heinrich Landahl würdigte den Verstorbenen in einem Kondolenz-Schreiben an die Witwe Gertrud Behnken mit den Worten:
„Viele Generationen junger Menschen hat Ihr Gatte ins Leben geführt und neben seinem Wirken in der Schulstube den Erwachsenen viele Stunden der Besinnung geschenkt. Durch seine Gabe, in der von ihm geliebten niederdeutschen Mundart das Menschliche zu gestalten und uns nahe zu bringen, hat er unzähligen jungen und alten Menschen geholfen, sich und die Welt zu verstehen. Der Name Heinrich Behnken wird nicht nur in der Lehrerschaft einen guten Klang behalten.“[47]
Text: Hans-Peter der Lorent

Anmerkungen
1 Personalakte Heinrich Behnken, StA HH, 361-3_A 1337
2 Johannes Saß: Niederdeutsches Autorenbuch, Hamburg 1956, S. 31.
3 Personalakte a.a.O.
4 BArch, 3330/ D 0003; Bl. 1708f.
5 Siehe die Biografie Bruno Peyn, in: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 1,
6 Hamburg 2016 S. 480ff.
7 Niederdeutsch im Nationalsozialismus. Studien zur Rolle regionaler Kultur im Faschismus (Herausgegeben von Kay Dohnke, Norbert Hopster und Jan Wirrer), Hildesheim-Zürich-New York 1994, S. 97.
8 Michael Töteberg: „Nedderdüütsch Volk op’n Weg“. Die Vereinigung Niederdeutsches Hamburg. Ein Dossier: Niederdeutsch im Nationalsozialismus a.a.O., S. 123
9 Töteberg a.a.O., S. 139
10 Kay Dohnke: „Ik stäk die Fahn ut“. Verhaltensweisen niederdeutscher Schriftsteller im Nationalsozialismus, in: Niederdeutsch im Nationalsozialismus a.a.O., S. 302.
11 „Hamburger Fremdenblatt“ vom 24.12.1940. So Carsten Scholz in seiner Kurzbiografie Heinrich Behnken, in: Hamburgische Biografie. Personenlexikon, Göttingen 2006, Bd. II, S. 44. Darin schreibt Scholz fälschlicherweise, dass Behnken „zeitweise Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens“ gewesen sei.
12 Heinrich Behnken: Die Vereinigung Niederdeutsches Hamburg und der NS-Lehrerbund, HLZ 38/39-1936, S. 337.
13 Ebd.
14 Personalakte a.a.O.
15 Siehe die Biografie Wilhelm von Allwörden in diesem Band.
16 Schreiben vom 11.3.1936, Personalakte a.a.O.
17 Scholz 2006, S. 44 f.
18 Ebd., sowie Personalakte a.a.O.
19 Scholz 2006, S. 44.
20 Siehe auch die Biografie Ernst Schrewe,: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Bd. 2, Hamburg 2017, S. 82ff.Schreiben des Reichspropagandaamtes Hamburg vom 27.6.1944, Personalakte a.a.O.
21 Schreiben vom 23.6.1944, Personalakte a.a.O.
22 Personalakte a.a.O.
23 Entnazifizierungsakte Behnken, StA HH, 221-11_Ed 8908
24 Entnazifizierung Ausschluss vom 6.6.1946, Schreiben vom 23.6.1944, Entnazifizierungsakte a.a.O.
25 Ebd.
26 Schreiben vom 31.10.1945, Personalakte a.a.O.
27 Ebd.
28 Schreiben vom 15.12.1945, Entnazifizierungsakte a.a.O.
29 Entnazifizierungsakte a.a.O.
30 Entnazifizierungsakte a.a.O.
31 Schreiben vom 7.1.1946, Entnazifizierungsakte a.a.O.
32 Entnazifizierungsakte a.a.O.
33 Schreiben vom 4.9.1945, Personalakte a.a.O.
34 Schreiben vom 18.5.1947, Personalakte a.a.O.
35 Schreiben vom 31.5.1947, Personalakte a.a.O.
36 Ebd.
37 Versetzungsverfügung in den Ruhestand vom 21.5.1947, Personalakte a.a.O.
38 Schreiben von Heinrich Behnken vom 20.6.1949 und vom 21.1.1952, Personalakte a.a.O.
39 Schreiben vom 21.1.1952, Personalakte a.a.O.
40 Ebd.
41 Ebd.
42 Siehe etwa das Schreiben vom 26.7.1958, Personalakte a.a.O.
43 Scholz 2004, S, 45.
44 Ebd.
45 Personalakte a.a.O.
46 Schreiben vom 6.12.1960, Personalakte a.a.O.
 

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Von Hamburger NS-Täter/innen, Profiteuren, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Zuschauer/innen ... Eine Hamburg Topografie.

NS-Dabeigewesene

Aufsätze

Erklärung zur Datenbank

Stand Januar 2024: 914 Kurzprofile und 332 sonstige Einträge.

Diese Datenbank ist ein Projekt in Fortsetzung (work in progress). Eine Vollständigkeit ist niemals zu erreichen. Sie startete online im Februar 2016 mit rund 520 Profilen und mehr als 200 weiteren Einträgen und wird laufend ergänzt und erweitert werden. Wissenschaftliche Institute, Gedenkstätten, Universitäten und zum Thema forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können gern ihre erarbeiteten Profile in diese Datenbank stellen lassen.

Quellenangaben, die sich auf Webseiten beziehen, sind die zum Zeitpunkt der Recherche gefundenen. Sollten Sie veraltete Links oder Aktualisierungen bzw. Verschiebungen der Inhalte feststellen, freuen wir uns über Hinweise.

Vor etlichen Jahren hat die Landesszentrale für politische Bildung Hamburg die Stolperstein-Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de ermöglicht und gibt seit rund zehn Jahren gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der Deutschen Juden unter der Projektleitung von Dr. Beate Meyer und Dr. Rita Bake von der Landeszentrale für politische Bildung die Publikationsreihe „Stolpersteine in Hamburg, biografische Spurensuche“ heraus. Mit dieser Datenbank „Die Dabeigewesenen“ möchte die Landeszentrale für politische Bildung nun den Blick auf diejenigen lenken, die das NS-System stützten und mitmachten. Denn:

Eine Gesellschaft, die sich eine offene und freie Zukunft wünscht,
muss [...] über eine Kultur verfügen, die nicht auf dem Verdrängen
und Vergessen der Vergangenheit beruht.“ (Mario Erdheim Psychoanalytiker) 1)

Diese aktuell immer noch so wichtige Aussage bildet den inhaltlichen Ausgangspunkt dieser Datenbank. Sie enthält eine Sammlung mit Kurzprofilen über Menschen, die auf unterschiedlichste Weise an den NS-Gewaltverbrechen in Hamburg Anteil hatten, z.B. als Karrierist/innen, Profiteur/innen, Befehlsempfänger/innen, Denunziant/innen, Mitläufer/innen und Täter/innen. Aber auch sogenannte Verstrickte, die z. B. nach durchlittener Gestapo-Folter zum Spitzel wurden. Unter all diesen Dabeigewesenen gab es auch Menschen, die in keiner NS-Organisation Mitglied waren, die aber staatliche Aufträge - zum Beispiel als Künstler oder Architekt - annahmen und so von dem NS-System profitierten, im Gegensatz zu denen, die sich diesem System nicht andienten, deshalb in die Emigration gingen oder in Kauf nahmen, keine Karriere mehr zu machen bzw. kaum noch finanzielle Einnahmen zu haben.

Ebenso wurden solche Personen aufgenommen, die zum Beispiel vor und während der NS-Zeit den Idealen des Heimatschutzes und der Technik-Kritik anhingen und das NS-Regime dadurch unterstützten, indem sie staatliche Aufträge annahmen, die diesen Idealen entsprachen, da das NS-System solche Strömungen für seine Ideologie vereinnahmte.

Für die Datenbank „Die Dabeigewesenen“ wurden alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens wie Medizin, Justiz, Bildung und Forschung, Verwaltung, Kirche, Fürsorge und Wohlfahrt, Literatur, Theater und Kunst, Wirtschaft, Sport, Polizei und parteipolitische Organisationen berücksichtigt.

„denn wir können (…) das ganze Phänomen des Mitmachens und des Ermöglichens, das ja in der NS-Zeit eine genauso große Rolle gespielt hat, wie die Bereitschaft, selbst aktiver Täter vor Ort zu sein - das alles können wir nur verstehen, wenn wir die verschiedenen Facetten der Täterschaft noch viel genauer betrachten, als das bisher geschehen ist." 2)

In vielen Profilen wird der weitverbreitete Enthusiasmus vieler Deutscher für den Nationalsozialismus, gegenüber „seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik, seine Architektur, seine Weltanschauung" 3) etc. deutlich. Und es zeigt sich, dass Menschen das NS-System stützten, indem sie z. B., ohne darüber nachzudenken und ohne zu hinterfragen, bereitwillig moralische und soziale Normen des NS-Staats übernahmen.

Mit Schaffung der „Ausgrenzungsgesellschaft“ war es für die „Mehrheitsgesellschaft“ möglich, u. a. NS-Rassentheorien praktisch umzusetzen.

Diese Erkenntnis ist angesichts heutiger aktueller gesellschafts-politischer Entwicklungen von Bedeutung. In einem Interview zum Thema Fremdenfeindlichkeit bemerkte der Antisemitismusforscher Prof. Dr. Wolfgang Benz auf die Frage, ob aus der Geschichte zu lernen sei. „Wir könnten schon. Wir könnten zum Beispiel lernen, dass der Fremde nicht schuld ist an dem Hass, der ihm widerfährt. Es scheint tatsächlich schwierig zu vermitteln zu sein, dass das Opfer nicht dafür verantwortlich ist, dass es totgeschlagen oder misshandelt wird. Juden werden nicht verfolgt, weil an ihnen etwas ist, was sie zu Opfern macht, sondern weil die Mehrheitsgesellschaft Opfer braucht, und zwar zur eigenen Identitätsstiftung. Zuwanderer, Fremde, Andersgläubige werden ausgegrenzt. Das stärkt das Selbstgefühl der Mehrheit.“ 4)

Mit der Datenbank soll eine Hamburg Topographie der „Dabeigewesenen“ entstehen, um somit konkrete Orte des NS-Geschehens sichtbar zu machen. Deshalb werden auch nur diejenigen Dabeigewesenen aufgenommen, die zwischen 1933 und 1945 in Hamburg mit seinen Grenzen nach 1937 gelebt/gearbeitet haben. Neben Personenprofilen sind auch Adressen von NSDAP-Organisationen und -Einrichtungen zu finden. Darüber hinaus gibt es für einzelne Stadtteile Einträge, die die NS-Aktivitäten im Stadtteil beschreiben. In der Datenbank kann nach Namen, Straßen, Bezirken und Stadtteilen gesucht werden, damit also auch nach den Wohnadressen und/oder Adressen der Arbeitsstätten (soweit recherchierbar). Durch Hinzuziehen der Stolpersteindatenbank (hier sind die Adressen der NS-Opfer aufgenommen, für die bisher Stolpersteine verlegt wurden) und der virtuellen Hamburg-Stadt-Karte (sie verzeichnet die Zwangsarbeiterlager und Firmen, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben) wird eindringlich deutlich, wie dicht benachbart Opfer und Dabeigewesene in Hamburg gelebt und gewirkt haben. Mit diesen Informationen ist es immer schwerer, die altbekannte Entschuldigung aufrecht zu erhalten; wir haben doch nichts davon gewusst.

In den vorgestellten Profilen liegt der Fokus auf Handlungen und Einstellungen zum NS-Regime. Privates wird nur erwähnt, wenn es für die Haltung zum NS-Regime von Relevanz ist. Recherchegrundlage für diese Datenbank waren bereits vorhandene wissenschaftliche Veröffentlichungen (z. B. von der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Institut für Zeitgeschichte), Biographien, Sammelbände und Dissertationen zu Hamburg im Nationalsozialismus, aber auch in diversen Fällen Entnazifizierungsakten und andere Akten und Dokumente, die im Staatsarchiv Hamburg zur Verfügung stehen. Für die Adressenrecherchen wurden die digitalisierten Hamburger Adressbücher von 1933 bis 1943 der Staats- und Universitätsbibliothek genutzt. Trotz größter Sorgfalt beim Zusammentragen der Daten, ist es dennoch möglich, dass Schreibweisen von Namen variieren und Lebensdaten fehlerhaft sind. In den Profilen und den Beschreibungen der Funktionen sowie des „Wirkens“ des Dabeigewesenen konnte nicht komplett auf das NS-Vokabular – der Sprache der Täter – verzichtet werden, dennoch wurde versucht, diesen Anteil gering zu halten und neutralere Umschreibungen zu finden.
Die meisten der aufgeführten Personen wurden schnell nach Kriegsende durch die Entnazifizierungsstellen als entlastet eingestuft, sie mussten sich selten vor Gericht verantworten oder sie wurden aufgrund von Verjährung ihrer Taten nicht juristisch verurteilt. So stellt Can Bozyakali in seiner Dissertation z. B. zum Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht fest, dass auch in Hamburg bis Anfang der 1950er Jahre 63% aller Justizjuristen, die am Sondergericht tätig gewesen waren, wieder in den Justiz-Dienst eingestellt wurden. „[…] anhand dieser Werte [kann] von einer ‚Renazifizierung‘ gesprochen werden.“ 5)

Dr. Rita Bake, Dr. Brigitta Huhnke, Katharina Tenti (Stand: Anfang 2016)

1) Mario Erdheim: „I hab manchmal furchtbare Träume … Man vergißts Gott sei Dank immer glei...“ (Herr Karl), in: Meinrad Ziegler, Waltraut Kannonier-Finster: Österreichisches Gedächtnis. Über Erinnern und Vergessen der NS-Vergangenheit. Wien 1993.
2) Wolfram Wette: Deutschlandfunk-Interview am 20.11.2014, anlässlich seines neuen Buches: „Ehre, wem Ehre gebührt. Täter, Widerständler und Retter - 1933-1945“, Bremen 2015.
3) Raphael Gross: Anständig geblieben. Frankfurt a. M.  2010, S. 17.
4) Wolfgang Benz: „Ich bin schon froh, wenn es nicht schlimmer wird". Der Historiker Wolfgang Benz über die lange Geschichte der Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – und was neu ist an den Pegida-Märschen. Interview: Markus Flohr und Gunter Hofmann, in ZEIT online vom 21. Dezember 2015. www.zeit.de/zeit-geschichte/2015/04/wolfgang-benz-pegida-antisemitismus-fremdenfeindlichkeit
5) Can Bozyakali: Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht: Eine Untersuchung der NS-Sondergerichte unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung der Verordnung gegen Volksschädlinge, Frankfurt/ Main 2005, S. 235.

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